0462 - Der Wissende
Absicht war Unverkennbar. Da sie die MARCO POLO noch nicht entdeckt hatten, mußten sie annehmen, Schekonu befinde sich noch auf dem dritten Planeten.
Mit Schaudern erkannte Rhodan, daß die Takerer wieder einmal gewillt waren, eine Welt zu vernichten, nur um einen einzigen Mann für immer unschädlich zu machen.
Sie waren ein unglaubliches Volk.
Ein Volk, das für immer seine Existenzberechtigung verloren hatte.
Die MARCO POLO beschleunigte. Sie nahm Kurs auf die Grenzen des grünen Sonnensystems. Rhodan bemühte sich nicht mehr, unentdeckt zu bleiben.
Vielleicht konnte er die Takerer davon abhalten, Mysyscher zu vernichten, wenn sie ihn rechtzeitig bemerkten und auf den Gedanken kamen, daß sich Schekonu bereits an Bord befand.
Aber die Takerer waren wie blind.
Sie ignorierten die MARCO POLO und flogen weiter. Erste Fernbomben rasten ihren Schiffen voraus.
Rhodan hätte sein Schiff und das Leben aller an Bord Befindlichen riskieren müssen, um den Takerern entgegenzutreten. Er konnte es nicht, denn die Verantwortung, die er zu tragen hatte, war zu groß.
Und er wußte auch noch nicht, daß es auf Mysyscher die Beutelbären gab.
Als Gucky es ihm mitteilte, war es schon zu spät.
Kurz bevor die MARCO POLO in den Linearraum ging, flammten weit hinter ihr die ersten atomaren Explosionen auf. Gleichzeitig meldete die Ortung zweihundert Verfolger-Schiffe der Takerer, die sich nun endlich entschlossen hatte, die Terraner anzugreifen.
Rhodan leitete den Linearflug ein.
Er warf einen letzten Blick auf den Bildschirm.
Schekonu, von Ovaron und Ras Tschubai gestützt, stand da und starrte auf das grausige Schauspiel, das sich seinen weit aufgerissenen Augen bot.
Dicht neben der grünen Sonne Ayscho stand plötzlich eine zweite Sonne, aber sie war grellweiß und schien zu verdampfen.
Trotter war schon tot.
Niemand sagte etwas. Und dann, von einer Sekunde zur anderen, erloschen die Farben auf dem Panoramaschirm.
Linearraum.
Schekonu schlug die Hände vors Gesicht und ließ sich von Ovaron zum nächsten Sessel bringen.
Schwer sank er in die Polster. Rhodan, der sein Schiff in relativer Sicherheit wußte, kam zu ihm. Er legte ihm die rechte Hand auf die Schulter.
„Es tut mir leid, Schekonu, aufrichtig leid, Ich weiß, wie Ihnen zumute leift muß, aber Wir konnten es nicht verhindern. Und noch etwas: Der zweite Planet von Ayscho stand unmittelbar hinter Mysyscher, von hier aus gesehen. Ich würde mir diesen Rest der Hoffnung noch bewahren. Vielleicht haben die Takerer sich um einige Bogensekunden geirrt ..."
Schekonu lächelte schwach.
„Sie wollen mir helfen - danke. Wie fanden Sie mich?"
„Sie erfahren alles. Jetzt werden Sie sich erst einmal erholen, Schekonu. Ovaron, bringen Sie ihn in seine Kabine."
Der Wissende gehorchte ohne Widerspruch. Sein letzter Blick galt dem Bildschirm, aber von Ayscho war nichts mehr zu sehen.
Rhodan kehrte an seinen Platz zurück.
Schweigend machte er sich daran, Daten für die nächste Linearetappe zusammenzustellen.
Gucky hockte zusammengesunken in einem der Sessel und hielt die Augen geschlossen.
Er hätte in diesem Moment jeden Takerer erbarmungslos getötet, der ihm über den Weg gelaufen wäre.
Die MARCO POLO aber entfernte sich mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit von dem Ort des Grauens.
In die Stille hinein flüsterte Merceile, das Cappinmädchen: „Es gibt noch eine Gerechtigkeit - es muß sie geben, denn sonst wäre unser Leben sinnlos."
Rhodan sah sie an. „Unser Leben ist niemals sinnlos", sagte er.
ENDE
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