0464 - Gemälde des Grauens
die Tür öffnete und erklärte, daß uns jemand sprechen wollte.
»Wer ist es denn?« fragte ich.
Glenda schaute Suko bei der Antwort an. »Eine gewisse Harriet Lester.«
»Kenne ich nicht«, sagte ich.
»Mir ist sie ebenfalls unbekannt. Aber sie hat einen Brief geschrieben, den ich euch auf den Schreibtisch legte.«
Wir nickten zur gleichen Zeit. »Dann ist alles klar«, sagte ich, »laß sie kommen.«
»Sie ist bereits auf dem Weg.«
Suko verzog den Mund. »Wie der Zufall doch so spielt«, sagte er leise.
»Zufall?«
»Na ja, mir ging gerade etwas anderes durch den Kopf. Erinnere dich an den Artikel in der Zeitung. Da wurde über einen Vampir geschrieben, der jemand getötet hat. Zudem ist der Tote noch durch einen Axthieb umgebracht worden.«
Ich schnickte mit den Fingern. »Und in der Nachricht steht etwas von einem Vampir mit der Axt.«
»Ja.«
»Dann müßte diese Harriet Lester mehr darüber wissen.«
Suko nickte. »Und wie.« Wir brauchten nicht mehr lange zu warten. Als Glenda unseren Besuch brachte, standen wir auf, und ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich kannte Harriet Lester. Sie war eine Weile neben uns hergefahren und hatte in einem gelben Jaguar gesessen.
Da hatte sie mir einen sehr selbstsicheren Eindruck gemacht. Im Gegensatz zu ihrem Eintreten. Sie wirkte etwas scheu, fast ängstlich.
Glenda erkundigte sich, ob sie eine Tasse mochte, und die Besucherin nickte.
Wir begrüßten uns mit Handschlag. »Ich kenne Sie«, sagte ich.
»Fahren Sie nicht einen gelben Jaguar?«
»Ja.«
»Dann sind wir vorhin nebeneinander hergerollt. Ich saß in einem Rover.«
Ihr Lächeln wirkte faserig. »Sorry, aber ich kann mich leider nicht daran erinnern.«
»Nun ja, macht nichts. Bitte, nehmen Sie Platz.« Sie tat es, nachdem sich auch Suko vorgestellt hatte.
Harriet Lester knöpfte ihre beige, lange Schalkragenjacke auf.
Darunter trug sie einen schlichten, gelben Pullover, der sehr weit geschnitten war. Auch der schwarzbraune Lederrock sah teuer aus.
Ihre Strümpfe, zum Rock passend, zeigten ein modernes Muster aus kleinen Schmetterlingen. Ansonsten waren die Strümpfe relativ grobmaschig gewebt. An den Waden lief eine dünne, aber sichtbare Naht entlang.
Glenda brachte den Kaffee. Mich bedachte sie mit keinem Blick.
Sie war wirklich beleidigt.
Harriet Lester trank. Ihre Hände zitterten leicht, als sie die Tasse hielt. Ihr Gesicht wirkte etwas herb, aber nicht uninteressant. Diese Frau strahlte eine gewisse Erotik aus, die Männer nicht so leicht an ihr vorübergehen ließ. Außerdem war sie groß, und ihre Figur konnte sich sehen lassen. Man hätte sie auch als stattlich umschreiben können. Das Rot der Fingernägel war mit der Farbe des Lippenstifts abgestimmt.
»Der Kaffee ist wirklich ausgezeichnet«, sagte sie und setzte die Tasse ab.
»Ich werde es Miß Perkins sagen.«
»Ja, tun Sie das.« Sie senkte den Blick und schaute auf ihre Finger, wo ich fünf silberne Ringe zählte, und jeder sah anders aus.
Da Harriet Lester nicht von allein anfing, übernahm ich die Gesprächsführung. »Sie haben uns den Brief zukommen lassen, den wir heute morgen vorfanden?«
»Das habe ich.«
Ich lächelte. »Es sind nur wenige Worte. Um ehrlich zu sein, zu wenige.«
»Das weiß ich auch, Mr. Sinclair, deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen. Es geht eigentlich um meinen Mann. Er ist Maler, sogar ein relativ erfolgreicher. Wir können gut leben, aber in der letzten Zeit hat er sich verändert.«
»Inwiefern?«
»Er war schon immer etwas in sich gekehrt, aber mir fiel auf, daß er sieh an manchen Tagen regelrecht exzessiv benahm. Er schrie, er tobte in der Nacht. Er sprach von Blut und Grauen, das über uns kommen würde, und er belastete sich mit schweren Schuldgefühlen, daß er an allem die Schuld trüge.«
»Wo wohnen Sie, wenn ich fragen darf, Mrs. Lester?« Suko erkundigte sich höflich.
»In der Nähe von Winchester. Wir haben ein Stück Land gekauft, das zu Highmore Castle gehört. Dort steht unser Haus.«
Suko und ich warfen uns einen Blick zu. Er war Harriet Lester nicht verborgen geblieben, deshalb fragte sie nach. »Ist irgend etwas mit meiner Antwort nicht in Ordnung?«
Ich beruhigte sie. »Doch, schon, nur haben wir gerade heute von einem Mord gelesen, der in Ihrer unmittelbaren Umgebung geschehen sein muß.«
Sie nickte heftig. »Ja, der Vampir mit der Axt.«
»Das schrieben die Zeitungen«, sagte ich.
»Und ich glaube daran.«
»An den Vampir.«
Ihr Nicken fiel
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