0467 - Der Kristall der Macht
verlieh ihm eine nie dagewesene Macht. Hinzu kam, daß er ihn berühren konnte, ohne Schaden zu nehmen…
Genauer gesagt, sein Schatten konnte es!
Denn mit Leonardos Körper hatte Eysenbeiß auch Leonardos unheimliche Fähigkeit übernommen, seinen Schatten vom Körper zu lösen und selbständig agieren zu lassen. Er konnte ihn wie eine Marionette lenken und durch die »Augen« des Schattens sehen, und der Schatten war in der Lage, Dinge zu berühren und zu tragen, wenngleich er selbst nicht berührt werden konnte, weil alles durch ihn hindurchglitt!
Wer hatte es schon je geschafft, einen Schatten zu fangen?
Wenn der Machtkristall sich in einer schützenden Umhüllung befand, konnte ihn jeder berühren. Aber der Schatten war in der Lage, den ungeschützten Kristall zu fassen. Denn er war ja nicht körperlich existent, und es war nicht die Hand seines Besitzers, die den Dhyarra berührte.
Jetzt suchte er.
Körperlich befand er sich in einem Versteck. Sein Schatten war unterwegs. Und mehr und mehr verdichtete sich die Vermutung, daß der Dhyarra sich nach wie vor in Stygias Wohnstatt befand, daß sie ihn nicht hatte fortschaffen lassen, damit er ihr nicht durch einen dummen Zufall gefährlich werden konnte…
Dann aber mußte Eysenbeiß vorsichtig sein. Denn nur zu leicht konnte der Schatten dort entdeckt werden…
Aber den Machtkristall mußte er haben!
***
Ted Ewigk breitete die Arme aus und ließ sich rücklings in einen Sessel fallen. Zufrieden seufzte er auf. »Endlich wieder zu Hause, und das gesund an Leib und Seele… vielleicht sollten wir das mit einer kleinen Party feiern.«
Professor Zamorra und seine Gefährtin Nicole Duval sahen sich an; Zamorra zog die rechte Augenbraue hoch. »Gesund, soso…«, murmelte er. Ted Ewigk sah aus wie Gevatter Tod höchstpersönlich. Hätte man ihn in eine graue Kapuzenkutte gesteckt und ihm eine Sense in die Finger gedrückt, hätte er glatt für ein entsprechendes Bildmotiv Modell stehen können. Der Geisterreporter litt immer noch unter den Nachwirkungen des magischen Raubvogelbisses, der ihn fast getötet hätte. Es würde noch eine Weile dauern, bis er wieder richtig fit war. Momentan bestand er fast nur aus Haut und Knochen. Es war schon als ein kleines Wunder zu bezeichnen, daß er die Strapazen der letzten gemeinsamen Abenteuer in der Welt der Grünen Göttin und in der Satansburg relativ gut überstanden hatte. Aber er war eben zäh. »Unkraut vergeht nicht«, hatte er gemurmelt.
Jetzt befanden sie sich wieder in Rom, in Teds Villa »Palazzo Eternale«, am nördlichen Rand der Ewigen Stadt. Der ursprünglich aus Frankfurt stammende Reporter war hier längst heimisch geworden. Und hier in Rom lebte auch seine derzeitige Freundin Carlotta, die ihre eigene Winzig-Wohnung in einem Mietshaus in der City nicht aufgeben wollte und lieber hin und her pendelte. In Teds Abwesenheit hatte sie »das Haus gehütet«, also in der Villa gewohnt und nach dem Rechten gesehen. Sie hatte ihn recht stürmisch begrüßt. Immerhin hatten sie sich ein paar Tage lang nicht gesehen, und da war einiges nachzuholen…
»Party klingt jedenfalls gut«, sagte Nicole Duval. »Teds Weinkeller plündern, überlaute Musik dröhnen lassen, unanständige Lieder grölen und…«
»Zensur«, warf Zamorra ein. »Das, was du als nächstes vorschlagen willst, ist garantiert nicht jugendfrei.«
»He«, warf Carlotta ein. »Ist nicht schon vor hundert Jahren die Redefreiheit für Frauen eingeführt worden?«
»Das war wohl ein Fehler«, brummte Ted Ewigk vergnügt.
»Na, warte, Schuft!« fauchte Carlotta ihn an. »Sei froh, daß du momentan unter Naturschutz stehst! Sonst würde ich dir zeigen, was es dazu zu sagen gibt! Aber in diesem augenblicklichen Zustand fällst du ja schon um, wenn ich nur einmal kräftig ausatme…«
»He, da ist was falsch«, protestierte Ted. »Ihr Frauen habt gefälligst das schwache Geschlecht zu sein.«
»Dann tu was dran«, empfahl Carlotta. »Ein paar gewaltige Steaks, tägliches Muskeltraining… du wirst einiges an Arbeit vor dir haben, bis du wieder so aussiehst wie früher.«
Ted nickte. »Sofort nach der Party geht's los«, versicherte er.
Später saßen sie vor dem knisternden Kaminfeuer. Abwechselnd erzählen sie von den zurückliegenden Abenteuern. »Wolltest du darüber nicht eine Reportage schreiben?« erkundigte Zamorra sich, der sich daran erinnerte, daß Ted seinen eigenen Worten nach hauptsächlich einer solchen Reportage wegen mitgekommen
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