0468 - Grab-Phantome greifen an
nur.«
Christian stieg vom Fahrrad. »Der Friedhof ist leer. Wir können ja einmal um die Kirche herumgehen.«
Matthias wurde blaß. »Wirklich?«
»Klar, komm. Wir sind doch Geheimagenten. Weißt du, ich glaube, daß sich hier ein Spion versteckt hält, den wir kriegen müssen.«
»Ja, Sir.«
»Hast du die Laser-Pistole?«
Matthias klopfte auf die linke Seite seiner Jacke. »Alles klar, wir packen ihn.«
»Gut. Wer geht vor?«
Sie losten. Matthias hatte diesmal das »Glück«, als erster den kleinen Friedhof betreten zu dürfen. Das Tor war nicht verschlossen.
Er drückte es auf und bekam einen Schauer, als er die Angeln quietschen hörte.
»Das ist ja schon unheimlich«, flüsterte er.
»Wir sind ja auch auf einem Friedhof«, wisperte Christian und stieß seinem Freund in den Rücken.
Auf dem Weg blieben sie stehen und schauten sich um. Von der Straße aus konnten sie wegen der hohen Mauer jetzt nicht mehr gesehen werden, sie aber sahen sich die großen, steinernen Zeugen der Vergangenheit genau an.
»Hier war ich noch nie allein!« flüsterte Matthias. »Nur mal mit mei- nem Vater.«
»Hattest du da Angst?«
»Etwas!«
»Geheimagenten haben aber keine Angst«, sagte Christian und stampfte mit dem Fuß auf, so daß hart gefrorenes Laub unter seiner Schuhsohle zerknirschte.
»Aber nur im Kino«, verteidigte sich Matthias.
»Willst du wieder zurück?« fragte Christian, der merkte, daß es Matthias nicht so gut ging.
»Nein, wir machen weiter.«
»Gut – und wo?«
Matthias hatte eine Idee. »Wo hat man denn die tote Frau eigentlich gefunden?«
Christian deutete auf die Kirche. »Dort.«
Matthias strich über seine Mütze, eine Geste der Verlegenheit, denn mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. »Stimmt das wirklich?«
»Das haben die Leute erzählt.«
»Aber sie liegt nicht mehr da?«
»Nein.«
Beide überlegten. Beide hatten auch wieder Angst, aber keiner von ihnen traute sich, dies zuzugeben.
»Willst du oder willst du nicht?« fragte Christian.
»Gut, wir gehen.«
Ihnen war nicht wohl, als sie auf die Eingangstür zuschritten. Niemand interessierte sich für diesen Ort, der, obwohl er inmitten des Ortes lag, doch ziemlich einsam war. Daran änderten auch nichts die Straßen, die diese kleine Insel umschlossen.
Matthias wollte nicht als Feigling dastehen und drückte als erster die Türklinke herunter. Irgendwie war er froh und atmete auch auf, als er feststellte, daß die Tür verschlossen war.
»Sie ist zu.«
»Laß mich mal!« forderte Christian.
Auch er hatte kein Glück. »So etwas Blödes«, kommentierte er.
»Aber was machen Agenten in so einem Fall?«
»Sie suchen nach einem zweiten Eingang.«
»Genau, Junge, genau.« Christian schlug seinem Freund auf die Schulter. »Da wir Agenten sind, suchen wir auch.«
Der zweite Eingang lag aber nicht an der Vorderseite. Um ihn zu erreichen, mußten sie die Taufkirche umrunden.
Sie schlichen dicht an der Außenmauer vorbei, wie die Diebe. Es war auch nicht zu vermeiden, daß sie altes Laub hoch wirbelten, dementsprechende Geräusche entstanden auch. Matthias kam das Schaben so vor, als würden Geister in der Nähe lauern, die sie auslachten.
Er wickelte den Schal fester um seinen Hals, als könnte er sich so besser schützen. Dann peilte er um eine Mauerecke und sah den zweiten Eingang an der Südseite.
Der war kleiner. Eine niedrige Tür, die nicht vorhanden war. Statt dessen hatte man den Eingang mit Brettern vernagelt.
»Da kommen wir also nicht rein!« stellte Christian fest und legte einen Zeigefinger gegen seinen Nasenrücken.
»Sehe ich auch. Gibt es noch eine Tür?«
»Ich weiß nicht.«
Matthias war in den letzten Minuten mutiger geworden. Er zerrte seinen Freund am Ärmel. »Los, wir suchen weiter.« Sehr forsch ging er vor. Als Christian sich in Bewegung setzt, da hatte Matthias bereits die dritte Tür entdeckt, blieb stehen und winkte den Freund herbei.
»Da ist es.«
Christian bekam große Augen. Er stand geduckt neben Matthias, schluckte und sagte dann: »Die steht ja offen.«
»Wo?«
Er streckte den Arm aus. »Da, dieser kleine Spalt. Wir brauchen ihn nur zu verbreitern.«
»Willst du gehen?« fragte Matthias.
»Wieso? Du nicht?«
»Da ist ja doch nichts in der Kirche.«
»Jetzt hast du Schiß, nicht?«
Matthias drehte sich. Er wollte dem Freund nicht direkt in die Augen sehen und blickte statt dessen auf das kahle Geäst der Bäume über sich, durch das bleigrauer Winterhimmel schimmerte.
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