047 - Der Schlitzer aus dem Jenseits
leise.
Sie sah, daß
die Gestalt sich ihr zuwandte und daß sie mitten auf einem ungepflegten
Grabhügel stand.
Eine Hand
streckte sich Myriam entgegen. Etwas Metallisches blitzte.
Da schrie die
junge Engländerin, von Entsetzen gepackt, auf.
Ihr Schrei
ging in ein dumpfes Gurgeln über, als sich der blitzende Stahl genau zwischen
ihre Brüste senkte.
●
Sie hörten den
gellenden Aufschrei. Noch ehe Chiefinspektor Higgins begriff, was eigentlich
geschah, wirbelten Larry und der Russe fast gleichzeitig herum.
Brent spurtete
davon wie ein Läufer. Er übersprang einen Grabhügel, um den Weg abzukürzen. Die
Augen des Agenten versuchten das Dunkel zu durchdringen. Vom Tor her
knirschende, eilige Schritte.
„Myriam?“
Mister Toynbee. Seine angstvolle Frage hing in der Luft.
X-RAY-3 sah in
der Finsternis vor sich die Umrisse von zwei Gestalten. Die eine leuchtete wie
in einem inneren Licht, hob sich weiß und deutlich von der Nebelwand ab, die
andere - in einen weißen Pelzmantel gehüllt - verschmolz mit dem Nebel und
taumelte.
Brent ahnte
mehr die Situation, als daß er sie wirklich sah. Seine Smith & Wesson Laser
lag plötzlich wie ein Stein in der Hand.
X-RAY-3
erkannte, daß die phantomgleiche, weiße Gestalt die Rechte hob, und es sah aus,
als halte sie etwas in der Hand. Ein Messer? Vermutlich.
Doch Brent
zögerte keine Sekunde. Er drückte ab. Der Laserstrahl spaltete wie ein Blitz
die Nebelwand vor ihm und raste lautlos auf die Gestalt zu. Brent zielte auf
den rechten Arm.
Die Wirkung
war außergewöhnlich.
Für
Sekundenbruchteile schälte sich wie unter einem elektrisch geladenen Feld die
Gestalt eines Menschen heraus. Der Körper erinnerte an eine elastische
Plastilinmasse, der man Leben eingehaucht hatte.
Diese weiße
Gestalt war sekundenlang von einem knisternden Feuerkranz umgeben. Der
Laserstrahl jedoch vernichtete den Körper nicht und durchschlug auch nicht die
bewaffnete Hand, was Larry Brent eigentlich bezweckte.
Vier Menschen
wurden in diesem, Augenblick Zeuge eines Bildes, das einmalig war, das niemand
ihnen glaubte, wenn sie in Zukunft darüber sprachen.
Das Phantom
wirbelte herum. Durch den Laserstrahl wurde ein elektrisches Feld aufgebaut, so
stark und zwingend, daß die Gestalt unfähig war, das große Fleischmesser in die
Höhe zu reißen und Myriam Toynbee zu treffen.
Was jetzt
geschah, spielte sich innerhalb von zehn Sekunden ab.
Aus den
Augenwinkeln heraus registrierte Larry Brent die Bewegung hinter sich. Iwan
Kunaritschew tauchte neben ihm auf, hielt den Atem an, und der massige,
bärenstarke Körper des Russen schien in sich zusammenzusacken.
Vor den beiden
Agenten im Nebel rannte Mister Toynbee auf seine Tochter zu, die mit
schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden stürzte.
Die weiße
Gestalt stand auf dem ungepflegten Grabhügel. Das Blut schimmerte wie roter
Lack auf der langen, metallenen Scheide des Messers, das das Phantom noch immer
in der Hand hielt. Dann sackte der Körper plötzlich weg und wurde von dem
feuchten Bogen wie ein Nebel aufgesogen.
Drei Sekunden
noch ragte der weiße, scheinbar feste Arm aus dem Grab und hob wie drohend den
Dolch. Brent drückte ein zweitesmal ab. Der Strahl durchbohrte, für alle
deutlich sichtbar, die Handwurzel. Doch ebensogut hätte Larry in die Luft
schießen können.
Der Arm
verschwand im Grabhügel. Der Spuk war vorüber.
Sie kümmerten
sich um Myriam Toynbee. Der Messerstich hatte Myriam schwer, doch - soviel
Urteilsvermögen glaubte Larry Brent sich zutrauen zu können - zum Glück nicht
lebensgefährlich verletzt. Der Blutverlust mußte gemindert und Myriam sofort in
ärztliche Behandlung gebracht werden.
Zum Glück
erwies sich das als kein Problem. In unmittelbarer Nachbarschaft wohnte ein
Arzt, den Toynbee telefonisch benachrichtigte.
Myriam auf den
Armen, ging Brent vorsichtig den Weg zum Haus zurück und bettete das Mädchen
flach auf den Diwan in der geräumigen Diele.
Gemeinsam mit
Kunaritschew und Higgins untersuchte Larry Brent kurz darauf noch mal die
Stelle, wo das schreckliche Geschehen sich abgespielt hatte.
Nichts mehr
wies darauf hin, was vor wenigen Minuten noch vier Menschen in ihren Bann
gezogen hatte. Leer und verlassen lag der alte
Friedhof und das Grab, in dem die weiße Gestalt versunken war, vor ihnen.
„Breachs
Theorie“, murmelte Larry. „Er vermutet, daß Jack the Ripper hier begraben
wurde. Irgendwo in der Tiefe dieses Grabes verfaulen seine Knochen, aber sein
böses Fluidum,
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