047 - Der Schlitzer aus dem Jenseits
Ich glaube nur das, was ich mit eigenen Augen sehe und
mit den Händen fassen kann. Doch es gibt auch Ausnahmefälle, wo ich mit der klaren
Logik und der reinen Vernunft nicht mehr weiterkam. Ich könnte da Szenen
erzählen, die ich in spiritistischen Zirkeln erlebt habe, da würde manch einer
die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Käme aber heute einer daher und würde
sagen, Jack the Ripper sei aus dem Jenseits zurückgekommen - ich nähme ihm das
aufgrund meiner privaten Untersuchungen an den beiden Leichen gestern
unbedenklich ab. Beide Morde sind das Werk Jack the Rippers, davon lasse ich
mich nicht abbringen.“
●
Larry wollte
noch etwas erwidern. Doch das Rasseln des Telefons, das in Reichweite von ihm
entfernt auf einem flachen Abstelltisch stand, riß ihm die Worte von den
Lippen.
Breach meldete
sich. „Für Sie, Higgins.“ Mit diesen Worten reichte er den Hörer an den
Chiefinspektor weiter.
Higgins nahm
mit ernstem Gesicht die Nachricht entgegen. Seine Blicke suchten die Larry
Brents.
„Es gibt
Arbeit, Larry“, sagte er rauh. „Toynbee hat den Yard angerufen. Sergeant Baker
ist tot!“
Sie brachen
sofort auf.
„Bis bald,
Breach“, rief Higgins von der Tür her, während er schon auf dem Weg zum Ausgang
war. „Und nochmals vielen Dank für Ihre Limonade.“
Larry schloß
sich dem an. „Wir wiederholen das Ganze hoffentlich bei Gelegenheit, Sir!“
●
Higgins
steuerte selbst den dunklen Bentley.
Das Fahrers im Nebel war eine Anstrengung. X-RAY-3 hatte das
Gefühl, durch die Straßen zu schleichen, und er wußte nicht, wo sie sich im
Augenblick befanden.
Minuten
vergingen. Zähflüssig reihte sich eine Sekunde an die andere, und Brent hatte
das Gefühl, als ob die Zeit überhaupt nicht verstriche.
Sie fuhren in
das Nichts. Ebensogut hätte Higgins mit verbundenen Augen den Wagen steuern
können.
Zum Glück
gehörte ihnen die Straße allein.
Keine
Passanten - keine Autos. Selbst die Londoner Taxis schienen alle in den Garagen
zu stehen.
Da tauchten
die hellen Scheinwerfer wie zwei große, verwaschene Flecke links vor dem
Bentley auf.
Higgins
reagierte sofort. Er trat auf die Bremse. Und erst jetzt wurde Larry recht
bewußt, daß der Chiefinspektor eigentlich im Verhältnis zur Sicht doch ein
wenig zu schnell gefahren war.
Etwas Großes,
Dunkles rutschte auf den Bentley zu.
Das plötzliche
Bremsmanöver riß Larry nach vorn. Doch er konnte sich geistesgegenwärtig
abstützen und bumste nur leicht mit der Stirn gegen die Frontscheibe.
Der
blitzschnellen Reaktion Edward Higgins’ war es überhaupt zu verdanken, daß es
zu keinem größeren Unfall kam.
Es knackte
häßlich auf der linken Seite des Bentley , als ob
jemand mit einem überdimensionalen Dosenöffner den Kotflügel aufreißen würde.
Mit einem Ruck
stand der Bentley.
Higgins warf
einen besorgten Blick auf Larry Brent.
„Verletzt?“
„No, Edward. -
Alles okay.“
„Dann sehen
wir draußen nach dem Rechten.“ Mit diesen Worten riß Higgins die Tür auf. Larry
Brent folgte auf der anderen Seite nach.
Sie waren mit
einem Taxi zusammengestoßen.
Der Bentley
war am linken vorderen Kotflügel ein bißchen eingedrückt. Das Taxi hatte
ebenfalls nicht viel abbekommen. Trotz des hohen Alters dieses Wagens hatte er
sich erstaunlich gut gehalten. Bei ihm war der Kotflügel unterhalb der Lampe
eingedrückt. Dort war auch das Glas gesplittert, aber die Birne brannte noch.
Der
Taxichauffeur knallte wütend die Tür zu, und auch der Fahrgast, ein
breitschultriger Bursche, stieg fluchend aus und rieb sich den stoppeligen
Schädel.
„Bolschojeswinstwo“,
tönte es durch die Nacht, und Larry Brent prallte zurück, als er diese Stimme
erkannte. Es bedurfte keiner Vorstellung. Nur einer konnte so fluchen.
„Iwan
Kunaritschew?!“ Ausruf und Frage waren eins.
Der Russe war
nicht minder überrascht, dem Freund hier mitten im Londoner Nebel zu begegnen.
Während Higgins den Unfallschaden mit dem Taxichauffeur regelte, begrüßten sich
die beiden PSA-Agenten lautstark und schüttelten sich die Hände.
„Wie kommst du
hierher?“ wollte Larry wissen.
„Befehl vom
Chef! Ich soll dich unterstützen.“
„Dann schickt
er das schwächste Glied in der Kette? Das wundert mich“, flachste X-RAY-3. „Er
ist doch sonst so genau.“
„Er meint, daß
im Kampf mit Geistern und Dämonen eine kraftvolle Persönlichkeit an deiner
Seiten stehen müßte.“
Larry wurde
ernst. „Wie kommt er auf
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