0470 - Die blutrote Nacht
Sebastian, der die Scheine sorgsam wieder aufgesammelt hatte, die er Zamorra vorhin vor die Füße geschleudert hatte. »Mir geht es um meine Sicherheit…«
»Wenn's den Vampir in Kürze nicht mehr gibt, ist deine Sicherheit wesentlich besser gewährleistet«, bemerkte Teri vom Rücksitz des Wagens her, in dem sie inzwischen alle wieder Platz genommen hatten. »Dieser junge Bursche mit dem völlig unaussprechlichen Namen, den dein Großvater erwähnt haben soll… könnte der Name Gryf ap Llandrysgryf gewesen sein?«
»Woher soll ich das wissen?« gab Sebastian zurück.
Zamorra hegte ebenfalls den Verdacht, daß der Silbermond-Druide Gryf gemeint war. Die Beschreibung paßte auf ihn, der sich seit über 8000 Jahren auf der Erde herumtrieb und Vampire jagte, dabei aber immer wie ein etwa zwanzigjähriger großer Junge aussah, der gern lachte. Für ihn, überlegte Zamorra, wäre dies durchaus ein Fall. Der Vampirhasser Gryf konnte wieder einmal seinem Jagdtrieb nachgehen, und seinem anderen Hobby ebenfalls, weil es hier in Rio von hübschen Mädchen geradezu wimmelte. Es hätte Zamorra gar nicht gewundert, wenn ihnen an der nächsten Straßenecke Gryf über den Weg gelaufen wäre - bei all den seltsamen Knoten, die hier eben geknüpft worden waren…
Aber laut Teris Behauptung war der Druide derzeit in einem anderen Erdteil unterwegs.
Vampire gab es nicht nur in Europa und Südamerika…
»Der wird sich ärgern, wenn wir ihm später von unserer Aktion erzählen«, hieb Nicole in die gleiche Gedankenkerbe. »Wetten, daß er uns Vorwürfe macht, weil wir ihn nicht herbeigerufen haben, damit er eine neue Trophäe in seine Sammlung fügen kann?«
Paolo Sebastian verzog das Gesicht. Er verstand nicht, was seine Fahrgäste meinten, weil ihm die Hintergrundinformationen fehlten. Widerwillig lenkte er den Ford Galaxie in jenen heruntergekommenen Stadtteil, in dem er neulich den Mordvampir beobachtet hatte.
Mitten auf der Straße stoppte er den Wagen. Das störte hier niemanden, weil es kaum Autos gab, die sich hierher verirrten. Hier ging jeder zu Fuß oder benutzte ein Fahrrad, sofern er es besaß. Fäulnisgestank lag in der Luft. Abfallkübel quollen über, einige lagen flach und offen auf dem Gehsteig, der Unrat verteilte sich überall. Die Fassaden der Häuser waren schmutzig. Fast überall blätterte die Farbe ab. Fensterglas war gesprungen, fehlte ganz oder war durch aufgenagelte Pappe oder Bretter ersetzt. Ein paar Häuser weiter spielte sich ein Familienstreit vor offenen Fenstern und teilweise auch auf der offenen Straße ab. Eine Handvoll halbnackter Kinder spielte und stritt miteinander; halbwüchsige Angehörige einer Straßengang hatten sich in einem Durchgang zwischen zwei Mietshäusern zusammengerottet, rauchten Joints und beratschlagten lautstark, was von dem Ford Galaxie noch verwertbar wäre, wenn man ihn zerlegte und in Teilen an Schrotthändler und Werkstätten verkaufte. Unwillkürlich angelte Sebastian wieder nach seiner HP Canadian und entsicherte sie.
»Bist du verrückt?« stieß Zamorra hervor. »Das sind noch halbe Kinder!«
»Aber schon ganze Verbrecher«, gab Sebastian zurück.
»Kein Grund, die Waffe zu benutzen.«
»Ich lasse mir nicht den Wagen abnehmen und zerlegen«, sagte Sebastian. »Wenn dir das nicht paßt, verschwinden wir hier. Dann kannst du dein Geld doch für dich behalten. Mann, ich bin doch nicht irre!«
Teri beugte sich vor. »Sie werden sich diesem Wagen nicht freiwillig nähern«, sagte die Druidin. »Wetten wir?«
Irritiert wandte Sebastian sich nach ihr um. Er sah, wie ihre Augen für einige Sekunden schockgrün aufleuchteten und dabei unheimlich grell strahlten. Dann war das Phänomen schon wieder vorbei. »Was… was war das?« stieß er hervor.
Teri schmunzelte. »Bei Gelegenheit solltest du dir dein Auto mal etwas näher ansehen«, schlug sie vor und stieg gelassen aus.
Die anderen folgten ihrem Beispiel. Sebastians Mund klappte weit auf. Selbst Zamorra war überrascht, faßte sich aber bedeutend schneller. Er grinste: »Nun klapp deine Kiefer mal wieder zu, sonst fliegen dir noch ein paar Hundertschaften Moskitos hinein - gebratene Tauben gibt's hier nämlich ebensowenig.«
Sebastian hustete trocken und konnte es nicht so schnell begreifen, daß aus seinem Taxi plötzlich ein Polizeiwagen geworden war. Den Jugendlichen zwischen den beiden Häuserblocks war diese Verwandlung auch nicht so ganz geheuer, aber sie waren darauf geeicht, Polizeiwagen
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