0473 - Botin des Unheils
»Spielzeug« nunmehr nichts mehr anfangen zu können. Wie mußte sie doch Naomi und deren Attraktivität fürchten, obgleich sie selbst auch äußerst attraktiv war! Aber sie befürchtete, daß Naomi ihr Nick für alle Zeiten entrissen hat, und eher tötete sie ihn, als daß sie ihn teilen wollte!
Kalt überlief es Naomi, als sie daran dachte, daß sie selbst eben noch »Teilungsgedanken« gehegt hatte.
Aber Cila hatte nicht mal darüber geredet.
Cila hatte gemordet!
Und sie würde weiter morden…
Mit ihren Hexenkräften konnte sie es, und niemand würde sie deshalb zur Rechenschaft ziehen können. Welches Gericht würde denn schon akzeptieren, daß jener unförmige Klumpen einmal ein Mann namens Nick gewesen war? Und wenn, dann würde allenfalls Naomi angeklagt werden, weil Nick zuletzt bei ihr gewesen war; niemals aber jene Hexe Cila.
Obgleich es warm im Zimmer war, fror sie; eine Gänsehaut bedeckte ihren nackten Körper.
»Du möchtest, daß ich auch dich töte?« erriet Cila ihre geheimsten Gedanken. »Nein, so einfach mache ich es dir nicht. Du hast den Mann, den ich liebte, in deinen Bann gezwungen. Deshalb wird künftig jeder, der dich liebt, überhaupt jeder, der sich auf irgendeine Weise mit dir einläßt, und wenn es nur in Form eines Gespräches ist, meinem Fluch anheimfallen. Dir selbst wird nie etwas geschehen. Aber jeder, mit dem du Kontakt hast, wird verflucht sein. Er wird ins Unglück stürzen für den Rest seines Lebens, und für dieses Unglück wird er dich verantwortlich machen - durchaus zu recht! Du wirst die Unheilsbringerin sein, du wirst vernichten, ohne es zu wollen, du wirst zugrunderichten, ohne selbst zugrundezugehen. Und damit du möglichst lange etwas davon hast, werde ich dich zehnmal solange leben lassen wie jeden anderen Menschen, aber in diesem sehr langen Leben wirst du immer wieder Menschen ins Unglück stürzen, die dich lieben. Jeder Mensch, ganz gleich, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, wird dem Fluch verfallen, mit dem ich dich belege.« Sie lachte schallend auf.
»Jeder Mensch, der dich liebt, jeder Mensch der dich mag, wird verloren sein! Aber ich gewähre dir eine Möglichkeit meinen Fluch zu brechen. Ich will ja nicht unmenschlich sein…« Und wieder ertönte ihr spöttisches Gelächter, das Naomi Varese erschauern ließ.
» Jemand, der in wahrer Liebe und Zuneigung zu dir entflammt, wird in der Lage sein, den Fluch zu brechen und unschädlich zu machen. Aber jeder Mensch, der sich mit dir befaßt, wird dem Fluch erliegen… so wie Nick…«
Und damit wandte sich die Hexe Cila sich ab, ging einfach durch die Wand und ließ Naomi mit dem, was von Nick übriggeblieben war, allein. Aber Naomis Schreikrampf, der jetzt einsetzte, löste das Problem auch nicht…
***
Zwanzig Jahre danach:
Professor Zamorra betrat das Krankenzimmer.
»Nur zehn Minuten«, hatte die Stationsschwester gedroht. Das übliche Zeitlimit, das vom Krankenhauspersonal gesetzt wurde, ganz gleich, ob der Patient die Unterhaltung verkraftete oder nicht. Zamorra kannte diese Anweisungen nur zur Genüge. Er wußte, was er davon zu halten hatte. In den meisten Fällen waren sie durchaus gerechtfertigt; dienten dem Wohl des Patienten, der nicht aufgeregt werden durfte. Zuweilen ging es aber nur darum, Weißkittel-Autorität zu unterstreichen. Ärzte waren Götter in Weiß, unfehlbar in ihrem Urteil, unübertrefflich in ihrem göttlichen Können, und die Ober- und Stationsschwestern waren ihre zu niedrig bezahlten und daher zu recht frustrierten Priesterinnen und Steilvertreterinnen. Bei einem Krankenhausaufenthalt hatte es Zamorra selbst erlebt, daß er bis auf seine Verletzungen topfit war, man ihm aber die Besuchs- und Gesprächszeit seiner Freunde auf ein paar läppische Minütchen reduzierte, nur um die Autorität der Über-Götter in Weiß herauszustreichen.
Patientenschutz war eine lobenswerte Sache, wurde aber häufig übertrieben, und Zamorra hatte sich schon oft gefragt, warum in bestimmten Situationen Ärzte nicht wegen Begünstigungen der Kriminellen mit unter Anklage gestellt werden, wenn sie ermittelnden Polizeibeamten die Vernehmung des Patienten verweigerten, weil den das möglicherweise um eine Minute Schlaf oder um seine Ruhe brachte; Zamorra brachte es eher um seine Ruhe, wenn die Verbrecher aus diesen Gründen erst behelligt wurden, wenn sie Zeit und Gelegenheit genug gehabt hatten, sich der Verfolgung zu entziehen.
Im Krankenhaus von Roanne nahm er sich den
Weitere Kostenlose Bücher