0473 - Drogenteufel von Stonehenge
führte. Möglicherweise stieg er in einen anderen Zug.
Zwischen ihm und mir befanden sich einige Menschen. Auch wenn der andere sich umdrehte, würde er mich nicht so schnell entdecken können.
Wir erreichten den tiefer gelegenen Bahnsteig, wo es leerer war. Auf den Bänken lümmelten sich einige lichtscheue Gestalten herum. Ein Musikus klimperte auf einer Gitarre. Er hatte Handschuhe übergestreift, nur die Finger lagen frei. Neben ihm blieb ich stehen, denn auch der Druide ging nicht mehr weiter. Wenn er jetzt in meine Richtung sah, deckte mich der Musiker mit seinem Körper.
Ein Druide mitten in London. Das war äußerlich ein Mensch, aber gleichzeitig eine Person mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Ein Mann, der brutal sein konnte, der Kraft besaß und bei seinen Gegnern kein Pardon kannte. Das hatte ich bereits in der U-Bahn erlebt.
Jetzt machte er wieder einen völlig harmlosen Eindruck. Er stand von der Hauptgruppe der Fahrgäste ein wenig abseits, hatte die Hände in die Manteltaschen gerammt und hielt den Blick zu Boden gerichtet.
»Soll ich was für dich spielen?« fragte der Musikus.
»Nein.«
»Dann verzieh dich aus meinem Dunstkreis.«
»Gern.« Ich grinste ihn an und schlenderte weiter, um mich zu den anderen Fahrgästen zu gesellen.
Der Druide warf mir nicht einen Blick zu. Er sah so aus, als hätte er mich nicht bemerkt. Ich baute mich so auf, daß die Menschen zwischen uns standen, und wartete auf den Zug.
Er rauschte Sekunden später ratternd heran. Wieder begann das gleiche Spiel. Türen schwangen auf, Menschen verließen die Wagen, andere stiegen ein.
Auch der Mann mit den grünen Augen und ich.
Ich ging in den gleichen Wagen, nur ließ ich genügend Distanz zwischen uns.
Er hatte sich hingesetzt, auch ich nahm Platz und achtete dabei auf seinen Hut, der über die Rückenlehne hinwegschaute.
Wir befanden uns jetzt in der Central Line. Es war die Strecke, die man zuerst gebaut hatte. Sie durchschnitt die Riesenstadt London von West nach Ost. Die letzte Station im Westen war Ealing Broadway. Dort konnte man in die Eisenbahn umsteigen. Ich war gespannt, wie weit der Mann noch fahren würde. Die ersten Stationen lagen noch in der City. Bond Street, Marble Arch, Lancaster Gate. Menschen stiegen aus und ein, aber der Mann mit den grünen Augen blieb auf seinem Platz hocken.
Erst als wir uns der Station Holland Park im Stadtteil Kensington näherten, stand der Fremde auf und begab sich zum Ausstieg. Ich lief ihm nicht nach, da ich die zweite Tür nehmen wollte, die der Wagen besaß.
Die Haltestelle lag an der Holland Park Avenue. Man mußte sie nur überqueren, um in den Park zu gelangen. Ich kannte mich in dieser Ecke ziemlich gut aus.
Hier wirkte die Station leer. Mit dem Betrieb in der City überhaupt nicht zu vergleichen.
Vor dem Mann mit den grünen Augen erreichte ich den Bahnsteig. Als er ausstieg, wandte er mir den Rücken zu, schaute sich auch nicht um und begab sich geradewegs zum Ausgang.
Leichtfüßig lief er die Treppe hoch, erreichte die Oberwelt und wandte sich der Fußgängerbrücke zu, die über die Holland Park Avenue hinwegführte, so daß Spaziergänger den Park gefahrenlos betreten konnten. Ich hatte Glück oder Pech, das kam auf den Blickwinkel an, denn niemand außer uns beiden näherte sich dem Aufgang der Brücke. Deshalb ließ ich den Abstand ziemlich groß.
Erst als der Mann mit den grünen Augen die Treppe fast hinter sich gelassen hatte, setzte ich mich in Bewegung. Ich hielt mich dabei dicht am Geländer, um ein wenig mit dessen Schatten zu verschmelzen. Unter uns rauschten die Wagen vorbei.
Es begann wieder zu nieseln. Feiner Schnee fiel vom Himmel. Körnig wie Zucker verteilte er sich auf den Straßen und Wegen, wo er nicht wegtaute, da die Temperatur in den letzten Stunden weiter gesunken war.
Ich ließ die letzten Stufen hinter mir, betrat die eigentliche Brücke und blieb auf der Stelle stehen.
Der Mann mit den grünen Augen hatte mich erwartet. Er stand nur zwei Schritte von mir entfernt, die Hutkrempe leicht nach oben gebogen, so daß ich sein Gesicht sehen konnte.
Zwei Laternen standen auf der Brücke. Allerdings weiter von uns entfernt, so daß unsere Gesichter im Schatten lagen. Dennoch konnte ich erkennen, daß der Mann mich nicht aus grünen Augen anschaute.
Er nickte mir zu. »Hier bin ich«, sagte er. »Sie können mir jetzt sagen, aus welch einem Grunde Sie mich verfolgen.«
Ich hob die Schultern. »Möglicherweise haben wir den
Weitere Kostenlose Bücher