0475 - 5 Millionen für Mister High
sie ohnmächtig umzufallen drohte. Roy konnte sich nicht um das Mädchen kümmern. Das hatte Zeit bis später. Jetzt mußte er sich gegen die tödliche Bedrohung zur Wehr setzen.
Gerry kam auf ihn zu, geduckt, mit gespannten Muskeln und vorgehaltenem Messer. »Na los, Mister!« höhnte er. »Zeigen Sie mal, was Sie können!«
Roy wich zurück. Er stolperte über einen Stuhl und fiel zu Boden. Gerry nützte die Situation nicht aus. Er wartete, bis der Gegner sich wieder erhoben hatte. Niemand lachte. Es schien, als hätten die meisten Zuschauer begriffen, daß es jetzt wirklich ernst wurde.
Der Wirt lehnte mit verschränkten Armen auf der Theke. Er paffte eine dicke schwarze Zigarre und hatte sehr schmale Augen bekommen. Er machte nicht den geringsten Versuch, den Kampf zu stoppen.
Gerry grinste dünn. Er ging erneut auf Patterson los. Der duckte sich, mit leicht zur Seite gespreizten Armen, hellwach, den eigentlichen Angriff abwartend. Er stieß mit dem Rücken gegen eine Wand. Gerry lachte.
»Schluß damit!« sagte in diesem Moment eine Ruhige, beherrschte und irgendwie autoritär wirkende Stimme von der Eingangstür her.
Der Wirt richtete sich auf. Er nahm die Zigarre aus dem Mund und verzog die Lippen zu einem gequält wirkenden Grinsen. »Das ist doch nicht ernst zu nehmen, Mr. Cotton!« sagte er. »Gerry wollte dem Burschen nur ein wenig Angst ein jagen. Der übliche Touristengag, Sir!«
***
Phil und ich betraten die Kneipe. Sie lag am östlichen Ende der Bensonhurst Avenue in Brooklyn und gehörte einem Mann, der es trotz mindestens einer Lokalrazzia pro Woche fertigbrachte, sein zweifelhaftes Stammpublikum zu halten.
»Guten Abend, Kelly«, sagte ich zu dem Wirt. »Sie sollten wissen, daß wir diese ausgefallene Art der Fremdenverkehrswerbung keinesfalls schätzen.« Ich wandte mich an den Messerhelden. »Legen Sie die Waffe aus der Hand!«
Die Augen des jungen Mannes verengten sich zu Schlitzen. »Was wollen die beiden Schießbudenfiguren hier?« erkundigte er sich wütend. Die Frage galt dem Wirt, aber Gerry ließ Phil und mich dabei nicht aus den Augen.
»Das sind Mr. Decker und Mr. Cotton vom FBI«, sagte der Wirt. »Nimm Vernunft an, Gerry!«
Gerry hielt nicht viel von dem Vorschlag des Wirtes. Er fühlte sich noch immer als Mittelpunkt der Szene und verspürte keine Lust, diese Rolle aufzugeben.
»So, FBI!« sagte er grinsend. »Na und? Ich bin angegriffen und beleidigt worden. Soll ich mich durch ein paar Bullen daran hindern lassen, mich zu verteidigen?«
»Hör auf, Gerry!« sagte der Wirt wütend.
Patterson richtete sich auf. Er straffte seinen Schlipsknoten und versuchte ein Lächeln, das seine Ruhe beweisen sollte. »Mein Name ist Roy Patterson«, stellte er sich vor. »Der Bursche tischt Ihnen ein Märchen auf. Ich habe ihn nicht beleidigt. Er suchte Streit. Er…«
»Darüber unterhalten wir uns später«, unterbrach ich ihn und winkte ab. Ich blickte noch immer Gerry an. »Legen Sie das Messer aus der Hand!«
Er grinste höhnisch. »Holen Sie es sich doch!«
Ich ging langsam auf ihn zu, mit ausgestreckter Hand. »Machen Sie keine Mätzchen, her damit!«
Er stach unvermittelt zu.
Es war eine genau berechnete Bewegung mit erstaunlicher Wirkung. Mein linker Anzugärmel ging zwar drauf, er hing plötzlich in Fetzen vom Ellenbogen herab. Irgendwie hatte es der Bursche geschafft, bei diesem Ausfall nicht einmal meine Haut anzuritzen. Einige der Männer lachten, allerdings ziemlich unsicher. Sie wußten noch nicht, wie die Sache ausgehen würde, und sie hatten keine Lust, sich vorzeitig auf die falsche Seite zu schlagen.
»Sie scheinen viel Geld zu haben«, sagte ich. »Sie werden mir das Jackett ersetzen müssen und außerdem…« ich kam nicht weiter, denn Gerry versuchte erneut, durchzukommen. Diesmal wollte er meinen rechten Ärmel erwischen. Sein Pech war, daß ich mich inzwischen auf seine Beweglichkeit eingestellt hatte. Ich traf ihn mit einem Schlag am Handgelenk. Das Messer flog durch die Luft und landete klirrend auf dem Fußboden.
Gerry sah verblüfft aus. Er blickte erst in die leere Hand und dann mich an. Sein spöttisches Lächeln war wie weggewischt. Nur eine Sekunde lang, dann ging er auf mich los. Er versuchte es mit einem Tiefschlag. Ich unterlief den Schlag und konterte im gleichen Augenblick. Meine Linke knallte hart auf sein Kinn. Ich schickte die Rechte hinterher und traf. Er taumelte zurück, völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Einen Moment schien er zu
Weitere Kostenlose Bücher