0479 - Die Nacht der bösen Angela
sie mit Vampiren gehabt hatten. In fremden Ländern, wo die Wälder noch dichter waren und die Friedhöfe viel älter als in Deutschland, sollten Wesen hausen, die eigentlich tot sein mußten, aber dennoch lebten, weil sie zu einer ewigen Unruhe verdammt worden waren und sich nur noch vom Blut der anderen ernähren konnten.
Das waren die Wesen, die man Vampire nannte!
Und Romain Bloch gehörte zu ihnen. Dieser Edelmann, der so ritterlich sein konnte, dem sie vertraut hatte, und dessen Wandlung sie einfach nicht fassen konnte.
Es dauerte seine Zeit. Deshalb malte sich das Erschrecken in ihrem Gesicht nur allmählich ab. Mit dem Begreifen kam die Angst. Das Blut verließ ihren Kopf, so daß die Haut die gleiche Farbe annahm wie die des Mannes.
Er sprach mit offenem Mund und fragte mit rauher Stimme: »Weißt du jetzt, wer ich bin?«
Angela starrte auf die Zungenspitze. Sie bewegte sich zwischen den beiden Blutzähnen. Es fiel ihr schwer, eine Antwort zu geben. Die Kehle saß zu.
So glichen ihre Worte auch mehr einem Krächzen, als sie erwiderte: »Du bist ein Blutsauger.«
»Ja, das bin ich. Und ich werde dein Blut trinken. Ich habe dir versprochen, mit dir einen Pakt einzugehen, der bis über dein Lebensende hinausgeht. Dabei meine ich das Ende deines normalen Lebens. Nicht das Ende überhaupt, denn du wirst weiterleben und erwachen, wenn andere Mächte es so wollen. Für dich haben wir eine Aufgabe vorgesehen. Du wirst dich um ihn kümmern, ihn nähren und auch großziehen, aber das, meine liebe Braut, wird erst später, viel später geschehen.«
»Warum?« hauchte sie. »Warum das alles?«
»Frag nicht, kleine Angela, nimm es hin. Sei glücklich, daß du leben kannst.«
Romain Bloch beugte seinen Kopf ihrem Gesicht entgegen, als wollte er sie küssen. Sie spürte den Druck seines Körpers auf sich wie einen schweren Fels.
Er streifte nicht einmal die Lippen des jungen Mädchens. Der Vampir hatte etwas ganz anderes vor.
Er wollte das tun, was er tun mußte.
Sein Mund glitt seitlich am Kinn der Liegenden vorbei, bis er die zarte Haut des Halses dicht vor sich sah. Unter ihr zeichnete sich eine mit Blut gefüllte Ader ab.
Sie wollte er haben.
Angela drückte sich ihm entgegen, als sie den scharfen, gleichzeitig süßen Schmerz an ihrem Hals spürte. Sofort danach den Druck der Lippen. Sie glaubte sogar, das Blut sprudeln zu hören, doch es waren nur die saugenden und schmatzenden Geräusche des Vampirs, der ihren kostbaren Lebenssaft trank.
Es dauerte nicht sehr lange, bis sie die große Müdigkeit übermannte. Sie war anders als die normale, die am Abend kam und Angela hinübertrug in den Schlaf.
Viel quälender, viel tiefer. Sie brachte auch keine Träume. Angela hatte den Eindruck, in einen tiefen Abgrund zu fallen, aus dem es kein Emporsteigen mehr gab…
***
Dennoch stieg sie wieder hoch!
Zu vergleichen mit einer kleinen Flamme, die irgendwo in der Tiefe des Raumes angezündet wurde, neue Nahrung fand und sich immer mehr in die Höhe fraß, bis aus dem winzigen Flämmchen ein Brand entstanden war.
Angela richtete sich auf. Nicht geschmeidig oder elegant, bei ihr sah es puppenhaft aus und so, als wäre in ihrem Körper eine Mechanik eingeschaltet worden.
Sie blieb im feuchten Gras sitzen, stierte nach vorn und sah in die tiefen Schatten der Nacht. Am Himmel waren dicke Wolken aufgezogen. Der Westwind hatte sie herangetragen, so daß sie den Mond und auch einen Teil der Gestirne verdeckten.
Angela aber suchte den Mond. Sie stand jetzt auf und wischte ihre feuchten Hände am Stoff des Kleides ab. Daß sie einmal nackt gewesen war, daran erinnerte sie sich nicht mehr. Wie eine Mondsüchtige schritt sie weiter, den Kopf in den Nacken gelegt und mit den Blicken den Himmel absuchend.
Dann sah sie ihn.
Er war nur ein bleicher Fleck, hatte sich hinter einem Schleier aus Dunst verborgen, aber für die Untote war er wie eine Lebensflamme. Sie starrte ihn an. Weit waren ihre Augen geöffnet, die Lippen zurückgeschoben, und aus dem Oberkiefer wuchsen zwei kleine Spitzen hervor.
Ihre Blutzähne!
Sie war zu einer echten Vampirin geworden. Der Fluch hatte sich bei ihr erfüllt, und sie würde, wenn sie überleben wollte, auch weiterhin Blut trinken müssen.
Torkelnd ging sie weiter. Das Laufen fiel ihr schwer. Schon nach wenigen Schritten stolperte sie über eine Unebenheit auf dem Boden und fiel aufs Gesicht.
Der weiche Untergrund dämpfte den Fall, aber sie hätte auch auf Stein schlagen können,
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