0479 - Ganjo-Alarm
Sie erfolgte zwar noch immer telepathisch, wirkte aber mehr wie ein Gespräch.
„Ich verdanke euch mein Leben, und wenn ich etwas tun kann, das euch helfen kann, so laßt es mich wissen. Ich weiß und kenne viel. Vielleicht kann ich nützlich sein."
„Du lebst hier in den Felsen?" fragte Guyl. „Ich glaubte stets, die Draafire zögen die großen Meerestiefen vor."
„Das tun sie auch, aber ich bin Dronal, der Einsame. Ich bin ausgestoßen worden, weil ich nicht die Sprache meiner Gefährten sprach, sondern ihre Gedanken las. Ich tat es von Geburt an, aber ich war nicht so klug wie mein Vater, der sein Geheimnis für sich behielt und sparsam mit der Gabe des Gedankenlesens umging, um sich nicht zu verraten."
„Du bist also ein Telepath, so wie wir auch. Da haben wir etwas gemeinsam." Hamart fiel plötzlich das Ziel ihrer Reise ein. Vielleicht konnte ihnen der Draafir doch helfen! „Dronal, hast du je etwas von der Stadt unter dem Meer gehört? Eine alte Sage berichtet davon. Viele Chamyros wollen ihr Licht schon aus der Tiefe heraufleuchten gesehen haben."
Dronal sah einem kleinen Fisch nach, der aus der Höhle schwamm und im dämmerigen Blau verschwand. Er hatte Hunger.
„Eine Stadt unter dem Meer? Nein es gibt keine solche Stadt, wenigstens nicht hier. Aber vielleicht meinst du die Heilige Kuppel?"
„Die Heilige Kuppel? Was ist denn das?"
„Du hast noch nie etwas von der Heiligen Kuppel gehört?" Dronal schien das nicht begreifen zu können. Für ihn schien die Heilige Kuppel so etwas wie ein feststehender Begriff zu sein. „Sie liegt tief unten auf dem Meeresgrund, ein bis zwei Tagesreisen von hier. Und sie leuchtet manchmal, wenn das Wasser ruhig und klar ist Jetzt, wo das Eis geschmolzen ist, kann man sie vielleicht in besonders dunklen Nächten heraufleuchten sehen. Aber sie ist ein Heiligtum für alle hier lebenden Chamyros, deren Gedanken ich ja auch lesen kann."
„Eine Kuppel? Was isst das? Keine Stadt?"
„Ein Haus, aber nicht aus Eis, sondern vielleicht aus dem gleichen Material wie jene Gitter, die mich gefangenhielten. Und Fenster aus denen Licht dringt."
„Du hast sie gesehen?" erkundigte sich Hamart begierig.
„Ja ich war oft bei der Kuppel. Aber es gibt keinen Eingang."
Hamart ahnte, daß die sagenhafte Unterwasserstadt mit der ominösen Kuppel identisch sein mußte. Er hatte nur nicht gewußt, daß die Stämme der Chamyros in diesem Teil des Ozeans die Kuppel kannten und sie als Heiligtum verehrten, „Kannst du uns zu der Kuppel bringen?"
„Für mich bedeutet sie kein Heiligtum", erwiderte Dronal. „Ich werde euch führen. Aber nehmt euch vor den Chamyros in acht. Sie bestrafen jeden, der sich ihrem Heiligtum nähert. Sie haben Angst davor.
Wahrscheinlich glauben sie, ihre Götter wohnten in der Kuppel und könnten zornig werden, wenn man sie stört."
„Wir werden den Chamyros aus dem Weg gehen", versprach Guyl und rollte seine Tentakel ein. „Ich bin müde und werde schlafen. Geht ihr inzwischen auf die Jagd, unser neuer Freund Dronal hat Hunger."
Hamart begleitete den halb verhungerten Draafir und unterhielt sich später in der Höhle noch lange mit ihm.
Er ahnte, daß er seinem Ziel beträchtlich nähergekommen war.
*
Den ganzen dritten Tag schwammen sie dicht unter der Oberfläche dahin und kamen gut voran.
Dronal erwies sich als ausgezeichneter Schwimmer.
Während Hamart meist in Guyls Nacken saß und sich tragen ließ, eilte der Draafir dem ungleichen Paar voraus, als mache es ihm ungeheuren Spaß, den beiden Freunden seine Schwimmkünste zu zeigen.
Manchmal verschwand er in der dämmerig blauen Tiefe, um dann plötzlich dicht vor ihnen senkrecht nach oben zu schießen. Er durchbrach die Oberfläche des Meeres wie ein Pfeil, schnellte hoch in die Luft und fiel patschend in sein Element zurück.
Nachmittags teilte er mit: „Ich kann am Horizont schon die Insel erkennen.
Sie ist unbewohnt und eisfrei, wird aber bald überschwemmt werden. Ich kenne eine kleine Bucht, in der wir übernachten können. Bis zur Heiligen Kuppel ist es noch eine Tagesreise."
Die Insel kündigte sich später durch das Ansteigen des Meeresbodens an. Richtige Gebirge tauchten vor den drei Freunden auf, dazwischen lagen enge Schluchten und weite Täler. Das Wasser war klar und hell. Sie konnten weit sehen, so wie Menschen an einem schönen aber dunstigen Sommertag.
„Gleich erreichen wir den Felsriegel. Die Insel ist die einzige Erhebung, die aus dem Wasser ragt. Spürt
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