0480 - Der Doppel-Zombie
sich auch diesmal gründlich auf die schönsten Wochen des Jahres vor.
Er gehörte zu den Leuten, die Wissen über ferne Länder aufnahmen wie ein trockener Schwamm das Wasser. Es gab kaum noch Literatur über das Land, das er nicht kannte. Er las und begann nun auch damit, sich über die Historie und die Sprache dieser anderen Welt zu informieren.
Sehr viel Freizeit haben Ärzte nicht zur Verfügung. Aber es gab da den sogenannten Bereitschaftsdienst, wo der Arzt anwesend sein mußte, wenn er gebraucht wurde.
An diesem Abend hatte Dr. Spencer Bereitschaftsdienst. Wie alle anderen Kollegen besaß auch er in der Klinik ein kleines Zimmer. Schrank, Tisch, Bett und zwei Stühle gehörten zur Standardeinrichtung. In einem winzigen Nebenraum waren die Dusche und die Toilette installiert.
Wenn er las, lag er am liebsten im Bett und hatte nur die am Kopfende stehende Leselampe eingeschaltet, deren fächerförmiges Licht auf die Buchseiten fiel.
Neben dem Bett stand der kleine Beistelltisch mit dem Telefon und dem Mineralwasser.
Es war ruhig in der Klinik, auch im Zimmer durchbrach nur hin und wieder das Atmen des liegenden Mannes die Stille oder das Geräusch einer umblätternden Seite.
Er las und strich gleichzeitig an. Wichtige Daten und historische Stätten, die er noch nicht gesehen hatte und auf seiner vierten Reise besuchen wollte.
Dr. Spencer war ein Mensch, der abschalten konnte. Wenn er sich einmal mit seinem Hobby beschäftigte, vergaß er seinen Job und auch die Probleme der Kranken.
Das war normalerweise der Fall, an diesem Abend jedoch wollte ihm das nicht so recht gelingen.
Seine innerliche Uhr störte ihn, denn sie war wie ein Wecker aufgezogen worden.
Schuld daran trug dieser Mr. Bloch.
Er hatte den Arzt durch seine Worte beunruhigt. Mit einer fast glaubhaften Sicherheit hatte dieser Mann von einer drohenden Gefahr gesprochen, die sich über dem Krankenhaus zusammenballte.
Eine schwarze Wolke, eine Ahnung, eine Andeutung.
Der Arzt war Realist. Von Spinnereien dieser Art hatte er nie etwas gehalten, aber Mr. Bloch hatte so eindringlich darüber geredet, daß dies nicht spurlos an ihm vorübergegangen war.
Überhaupt war dieser Mensch äußerst seltsam. Allein seine Anreise unter Bewachung erweckte Aufmerksamkeit. Bei dem Patienten handelte es sich um keinen Gangster oder Verbrecher. Was der Mann aus Frankreich genau war und mit welchen Dingen er sich beschäftigte, das hatte Dr. Spencer auch von den ihn begleitenden Polizisten nicht erfahren können.
Er richtete sich auf, griff zum Glas, sah, daß es leer war und schenkte Mineralwasser nach. Der Arzt trank in langsamen Schlucken. Er mochte die Heizungsluft im Zimmer nicht. Sie trocknete seine Kehle aus, und er wartete förmlich auf die wärmere Jahreszeit, wo man die Heizung abstellen konnte.
Das Telefon war schweigsam geblieben. Auch Mr. Bloch hatte nicht mehr nach ihm verlangt, aber Dr. Spencer nahm sich vor, noch nach ihm zu schauen. Er wollte sicher sein, daß der Mann schlief.
Wie es aussah, konnte selbst er als Arzt nichts sagen. Die Operationen waren durchgeführt worden.
Das Team der Spezialisten hatte sein Möglichstes getan, nun mußte sich herausstellen, ob diese gereicht hatte.
Dr. Spencer war nicht sehr optimistisch. Die Verletzungen waren einfach zu schlimm gewesen.
Er trank das Glas leer, schaute auf seine Uhr und fand es für einen Rundgang noch zu früh. Wieder legte er sich hin. Automatisch griff er dabei zu seinem Buch.
Daß die Tür leise geöffnet wurde, merkte er erst, als ihn vom Gang her ein kühlerer Luftzug streifte.
Der war wie eine Warnung, und er schnellte in die Höhe.
Im gleichen Augenblick fiel die Tür zu.
Dr. Spencer erstarrte, als er die Person erblickte, die vor der Tür stehengeblieben war und ihn anglotzte, wobei der Eindringling noch impertinent grinste.
Langsam drehte sich Spencer um. Er wollte aufstehen, aber der andere schüttelte nur den Kopf.
»Bleib ruhig sitzen, Doktorchen.«
Spencer hatte sich wieder gefangen. Er spürte Schweiß auf seinem Gesicht und Kälte am Rücken.
»Wer sind Sie?« fragte er leise.
»Du kannst mich Ricky nennen.«
Spencer nickte. »Und was wollen Sie hier?«
»Eine Auskunft.«
Dr. Spencer zeigte keine Angst. »Da haben Sie sich den Falschen ausgesucht. Auskünfte werden am Empfang gegeben. Ich bin nur für einen bestimmten Bereich verantwortlich.«
»Das glaube ich nicht.«
Ricky hatte dies mit einer Sicherheit erklärt, die den Arzt stutzig werden ließ.
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