0480 - Der Doppel-Zombie
Die Menschen hätten aus früheren Zeiten mehr aufbewahren sollen, aber viele Weise wurden verkannt und haben ihr Wissen deshalb für sich behalten. Das rächt sich nun.«
»Was könnte nach deiner Meinung der Dunkle Gral denn sein?« forschte Suko weiter.
»Die Spur zu Aibon. Das Reich zwischen Himmel und Hölle. Wahrscheinlich werden in ihm die Geheimnisse aufbewahrt, an die auch wir Templer herankommen wollten. Wer Aibon kennt und es begreift, besitzt den Schlüssel zum Licht.«
»Du meinst den, der in andere Bewußtseinsebenen führt?«
»So kann man es auch sagen. Leider weiß auch ich viel zu wenig. Sollte ich überleben und blind bleiben, besteht für mich auch kaum noch Hoffnung, da bin ich ehrlich.«
»Warte ab.«
Suko war bei diesen Worten aufgestanden und an das Fenster getreten. Auch er hatte die warnenden Worte des Abbés nicht vergessen. Die Gefahr konnte von innen her kommen, aber das mußte sie nicht unbedingt. Auch außerhalb hatte sie die Chance, sich zusammenzuballen, um blitzschnell zuzuschlagen.
Das Zimmer besaß eine Klimaanlage, und das Fenster ließ sich nicht öffnen. Über dem Gelände lag die Dunkelheit. Zwar sah Suko die Lichtinseln der Laternen, doch sie reichten beileibe nicht aus, um die tiefen Schatten zu vertreiben, Sie befanden sich nach wie vor in der Überzahl.
»Hast du etwas feststellen können?« erkundigte sich der Abbé vom Bett her.
»Leider nicht.«
»Ich glaube nach wie vor daran, daß sie bereits in der Klinik sind. Ich weiß nicht, wer sie geschickt hat, aber sie sind ungemein gefährlich, das spüre ich.«
Suko blieb am Bett stehen und lachte leise. »Zum Glück haben wir Bill als Wächter vor der Tür sitzen.«
»Schau doch mal nach. Wir haben lange nichts mehr von ihm gehört.«
»Ja, die Stunde ist auch bald um.«
Suko ging zur Tür, öffnete, schaute nach links - und bekam große Augen.
Der Stuhl war leer!
Durch die Nase atmete der Inspektor scharf ein und zog sich langsam zurück. Er schaute noch nach rechts und links in den Gang, ohne den Freund zu entdecken.
»Da ist etwas geschehen, nicht wahr?« fragte der Abbé. »Ich… ich spüre es.«
»Du hast recht.« Suko schloß leise die Tür. »Bill ist verschwunden.«
»Wie John!«
Daran hatte Suko noch nicht gedacht. Er wußte aber, daß es nun verdammt ernst wurde und er sich blitzschnell etwas einfallen lassen mußte.
»Was können wir tun?« Der Abbé stellte die Frage mit sehr ruhiger Stimme.
»Darüber denke ich nach.«
»Aber bitte nicht zu lange.«
»Keine Sorge«, erwiderte Suko und warf seine Gelassenheit plötzlich über Bord. »Ich glaube, daß ich die Lösung habe. Du mußt nur mitspielen, Abbé.«
»Daran soll es nicht scheitern…«
***
Hätte ich die Szene beschreiben müssen, wäre mir das Wort gespenstisch in den Sinn gekommen.
Hoch über mir schwebte die düstere Wolkenbank. Ich selbst lag auf feuchter Friedhofserde und wurde von einer Mischung aus Mensch, Monster und Dämon bewacht, die den Namen Mordengel von London bekommen hatte.
Hinzu kam die Stimme Vincent van Akkerens aus dem Lautsprecher des Recorders. Er hatte bewußt eine Pause vor dem Weitersprechen eingelegt, um bei mir, dem Zuhörer, die Spannung zu steigern.
Das war ihm auch gelungen. Ich lag auf dem Rücken und starrte zu Jilette hoch, der den Recorder hielt wie ein kostbares Stück, das keinesfalls zerstört werden durfte. In der Finsternis zerflossen seine Umrisse, er war nicht mehr so deutlich zu sehen, hinter ihm bewegte der Wind die Zweige der Büsche, so daß sie mir wie tanzende Gespenster vorkamen, mit langen, dünnen Armen.
Ich roch die Feuchtigkeit des Bodens und hatte auch den Eindruck, als würde Modergeruch in meine Nase steigen. Hier war alles faulig, die Vergänglichkeit überdeckte diesen winzigen Friedhof wie ein großes Tuch. Aber ich lag nicht in der Vergangenheit, sondern in der Gegenwart, die furchtbar genug war.
»Na, hast du dich von deiner Überraschung erholt, Geisterjäger?« hörte ich van Akkerens Stimme.
»Wenn du mich jetzt vernimmst, kannst du dir schon selbst sagen, daß alles nach meinen Plänen gelaufen ist. Nichts hat sich verändert. Ich mußte schnell reagieren, denn ich darf den Abbé nicht entkommen lassen. Wie du selbst weißt, hatte ich Zeit genug, Pläne zu schmieden, und ich habe stets einige Trümpfe in der Hinterhand. Einen davon mußte ich nun ziehen. Wie ich dich kenne, wirst du neugierig sein, wie Jilette zu dem geworden ist, wie du ihn vor dir siehst. Es
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