0481 - Im Schlund des Dreitöters
ich.
Die Dunkelheit schien mich zu schlucken. Sie war wie ein Maul, weit aufgerissen, ein Schlund, eine Hölle für sich, die mich nie mehr loslassen würde.
Grausam und erbarmungslos.
Sie schluckte, sie fraß, sie würde mich nie mehr hergeben, wenn sie mich einmal hatte.
Und ich gewöhnte mich daran.
Vielleicht ist es gut, daß Menschen sich an gewisse Dinge gewöhnen, seien sie auch noch so schrecklich und furchtbar.
Mir erging es nicht anders.
Der Fall kam mir nicht mehr so schnell vor. In meinem Bewußtsein hatte er sich verlangsamt, wie bei einem Fallschirmspringer, der seinen Schirm hatte und aufflattern ließ.
So raste auch ich weiter…
Über eine Zeit konnte ich nicht nachdenken. Minuten, Sekunden, was war das schon in einer fremden Dimension, wo Zeit sowieso keine Rolle mehr spielt?
Dann sah ich etwas!
Zuerst glaubte ich, daß mir meine Vorstellungskraft einen Streich spielte, aber irgendwo in der Dunkelheit bewegte sich etwas. Es war ebenfalls ein Schatten, nur heller als die Finsternis, und er lag dort wie eine Insel.
Die plötzlich explodierte.
Ich schrie auf, weil mich Flammen umtanzten. Mit weit geöffneten Augen starrte ich gegen ein furchtbares Monstrum, das nur einen Körper besaß, aber drei Köpfe.
Grausame Schädel.
Krokodil, Mensch, Ratte! Der Dreitöter!
Schnell wie ein Komet war er heran. Ich schaute direkt in den weit aufgerissenen Rachen des Krokodils und rechnete damit, daß mich das Maul verschlingen würde.
Aber auch mein Kreuz meldete sich.
Die Hitze strahlte auf mich über, der Dreitöter verschwand vor meinen Augen, und auch die Finsternis fegte wie ein schnell aufgezogener Vorhang zur Seite.
Dafür blendete mich das helle Licht, und eine kalte Luft wehte gegen mich. Die Welt hatte mich wieder.
Fragte sich nur - welche Welt und wo ich mich befand?
***
Zunächst einmal nicht in der Schwärze. Über mir sah ich einen weiten, herrlich blauen Himmel, davor die schneebedeckten Berge. Ein heller, silbriger Punkt zog einen weißen Streifen hinter sich her.
Das war ein Flugzeug!
Plötzlich lachte ich. Es war allein der Anblick dieses Flugzeugs, der mich dazu trieb. Eine Maschine, ein Clipper, ein Jet gehörte nicht in eine fremde Dimension, sondern in die Welt, in der ich aufgewachsen war.
Ich verfolgte den Weg der Maschine so lange, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Erst dann widmete ich mich meiner Umgebung. Prächtig bauten sich die hohen Berge vor mir auf. Gewaltige Gipfel, die eine Schnee- und Eisschicht zierte. Gletscher funkelten im Schein des Sonnenlichts in den unterschiedlichsten Farben, als ihr Eis die Helligkeit des Himmelskörpers brach.
Unterhalb des Schnees breiteten sich die weiten geschwungenen Täler aus. Manche schüsselartig, andere wiederum sehr steil und von graubraunen, hoch ansteigenden Felswänden markiert.
Ja, ein wildes Gebirge, anders als die Alpen, längst nicht so lieblich, viel rauher und auch nicht so touristisch erschlossen.
Wo konnte ich mich befinden?
Die Antwort war einfach. Ich fand sie auch ohne schnelles Nachdenken. Wladimir Golenkow hatte davon gesprochen, daß die drei Männer im Kaukasus verschwunden waren. Wir hatten hinfliegen wollen, das konnten wir uns jetzt sparen. Ich glaubte fest daran, daß ich mich auf den Höhen des Kaukasus befand.
Der Wind war kühl, aber nicht unangenehm. Zwar lag noch Schnee auf den Bergen, aber in den Tälern, wo Wald und Matten weite Bergflanken bedeckten, begann der Frühling.
Die Blumen krochen aus der Erde, auch das Gras begann zu sprießen. Trotzdem konnte ich mich an dem Anblick nicht erfreuen. Die Sorgen waren stärker. Ich hatte es geschafft, ich lebte, mir war rein gar nichts passiert, aber wie verhielt es sich mit Wladimir Golenkow? Von ihm sah ich keine Spur.
Möglicherweise war er an einer anderen Stelle gelandet, das mußte ich noch herausfinden.
Als ich zu Boden schaute, sah ich, daß noch immer das Seil um meine Hüften geknotet war. Ich löste den Knoten und schleuderte es weg wie eine tote Schlange.
Eigentlich konnte ich mir die Himmelsrichtung aussuchen, wohin ich wandern wollte. Es blieb sich gleich. Dennoch mußte ich zu einem Ziel gelangen. Schließlich konnte ich nicht einfach durch die Gegend laufen und auf einen Zufall hoffen.
Im Kaukasus waren die drei Männer mit ihrem Hubschrauber spurlos verschwunden. Mit mir war das Gegenteil geschehen. Ich war im Kaukasus wieder aufgetaucht. Irgendwo mußte es da einfach gewisse Zusammenhänge geben, nur hatte ich sie
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