0483 - Das Girl, das zuviel wußte
Gesichter unauffällig der Reihe nach an.
Gleich neben ihr Clint Carson, in seinem ewig schlecht sitzenden Anzug, mit dem zerknitterten Hemd und dem runden gutmütigen Gesicht, das er ständig fragend auf sie richtete. Daneben, wie ein eifriger treuer Hund, Steward Martens, der vielleicht kein großer Künstler hinter seiner Kamera war, aber dafür ein guter Handwerker und ein prima Kamerad, ständig in Bereitschaft, sie gegen irgend jemanden zu verteidigen, auf der anderen Seite des Tisches Barry Lennox, breit und blond und etwas schwerfällig, aber mit einer geradezu phantastischen Begabung, die Wünsche der Kunden zu befolgen und doch Filme zu drehen, die auch bei den Leuten ankamen, denen die Waren verkauft werden sollten. Neben ihm Peggy Fairman, dunkel, schön und immer boshaft, in fast allen Carson-Werbefilmen der ungekrönte Star, Jackson Lewis, der so glatt war wie ein Stück Seife, der die umwälzendsten Ideen in die Wirklichkeit umsetzen konnte und schon erstaunliche Angebote von anderen Werbekonzernen ausgeschlagen hatte. Und an der Ecke Laura Spelman, blond, niedlich und von dem Traum erfüllt, irgendwann einmal die Rolle von Peggy zu übernehmen.
Ruth schaute weg. Irgendwo im Hintergrund kam von einem Plattenspieler leise Musik. Es waren nicht nur einfach ihre Kollegen, es war wie eine Familie. Sie hatten immer gut zusammengearbeitet und sich gut verstanden. Auch jetzt, wo einer von ihnen auf unerklärliche Weise verschwunden war, hatte keiner auch nur angedeutet, Hank Davis oder sonst einer aus der Runde könnte etwas mit dem Einbruch oder dem Mord zu tun haben. Sie hatten sich darüber unterhalten und waren einig, daß alles nur eine Sache von Außenstehenden gewesen sein konnte, von Gangstern.
Sie schauderte, als sie daran dachte, was in der Nacht vorher vorgefallen war, und stand auf.
»Ich glaube, ich bin etwas müde«, sagte sie lächelnd. »Ich möchte lieber heimgehen. So wie ich den Alten kenne, jagt er uns morgen doppelt!« Sie lächelte Clint zu, der auch aufgestanden war und ihr in den Mantel half.
»Ich bringe dich nach Hause!« sagte Martens hastig und trank sein Glas auf einen Zug aus.
»Ich glaube, ich gehe auch bald!« sagte Lennox und sah Ruth prüfend an.
»Ich dachte, wir wollten zusammen essen? Ich habe einen Mordshunger!« protestierte Peggy. Lewis lachte leicht auf.
»Jetzt noch? So spät? Was sagt die schlanke Linie dazu?«
Laura Spelman lachte kichernd auf.
»Bleibt doch noch«, sagte Ruth. »Ich kann mir ein Taxi nehmen!«
»Nein, ich muß auch nach Hause, unser Alter, der mein ganz spezieller Alter ist, hat heute abend Gäste!« sagte Clint und grinste etwas unbeholfen, als die anderen lachten.
Martens setzte sich wieder hin. Seine Augen waren zusammengezogen, und seine Stimme lag in Falten, aber er sagte lachend:
»Auch gut, ich werde meinen Kummer ersäufen!« Er winkte dem Kellner und nickte Ruth dann mit einem schiefen Grinsen zu.
Sie lächelte und ging vor zum Ausgang.
Warum hatte der Mann sie in der vergangenen Nacht verfolgt? Hatte er gefürchtet, daß sie ihn erkannt haben konnte? Aber dann mußte er sie selbst ja auch erkannt haben.
Es mußte einer von den Kollegen sein!
Ruth verdrängte den Gedanken sofort wieder. Sie fror, obwohl es hier warm war.
Clint stand schon im nächsten Moment neben ihr und legte den Arm um ihre Schultern.
»Komm«, sagte er sanft.
Auf der Straße blieb er stehen. »Nehmen wir deinen Wagen oder meinen?« fragte er. Ruth schüttelte den-Kopf.
»Ich habe heute meinen Fiat zu Hause gelassen. Irgend etwas mit der Kupplung war nicht in Ordnung.«
»Fein, nehmen wir meinen Schlitten!« Clint zog stolz die Tür seines neuen Sunbeam auf und ließ Ruth einsteigen. Während er den Zündschlüssel ins Schloß steckte, fragte er:
»Irgend etwas bedrückt dich doch, hm?«
»Nichts!« sagte sie hastig.
»Aber ich merke es schon den ganzen Tag. Du bist so… so verändert!« widersprach er.
»Na ja, die ganze Geschichte geht mir natürlich an die Nieren. Richie Hecksher war doch ein so netter alter Mann. Und dann verschwindet plötzlich Hank. Ich begreife das alles nicht!«
Clint drehte sich zu ihr hin. Sein Gesicht leuchtete rot im Licht der Armaturenbeleuchtung. Seine Zähne blitzten, als er lachte:
»Gott sei Dank! Ich dachte schon, es wäre etwas wegen uns beiden!«
»Nein, natürlich nicht!«
»Ich wollte dich nämlich bitten, heute abend mit zu uns nach Hause zu kommen!«
»Zu euch?«
»Ja. Es kommen nur ein paar
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