0483 - Das Girl, das zuviel wußte
sich verstecken konnte, Aber der Mann hinter ihr war viel schneller, als sie es für möglich gehalten hatte.
Er kam wie ein fliegender Schatten immer näher, und Ruth fragte sich, warum sie nicht geschrien hatte, warum sie nicht zu den hellen Laternen auf der anderen Sei,te gelaufen war.
Aber dafür war es jetzt zu spät.
Ruth merkte plötzlich, daß sie in eine Sackgasse gerannt war. Sie hatte vergessen, daß die Straße hier seit drei Tagen wegen-Kanalarbeiten gesperrt war. Erst als der hohe Bauzaun vor ihr aufragte, stoppte sie entsetzt. Aber sie konnte nicht mehr umkehren. Im dunklen Geflacker einer verdreckten Warnlaterne sah sie eine hohe Gestalt auf sich zukommen.
Erstarrt und keiner Bewegung fähig, sah sie dem Mörder entgegen.
***
Phil, Ray Sheridan und ich rannten hinaus auf die Straße. Ich riß die Türen des Jaguar auf, Ray klemmte sich auf den Notsitz, Phil warf sich auf den Beifahrersitz und schaltete das Funkgerät ein, während ich den Wagen auf die Straße hinausjagte. Als Phil das Gespräch mit unserer Zentrale beendet hatte, schaltete ich Rotlicht und Sirene ein und drückte das Gaspedal durch.
»Ich habe immer gesagt, daß das Girl nichts mit der Sache zu tun hat!« brüllte Ray von hinten gegen den Motorenlärm an.
»Wenn unsere Idee stimmt, dann hat sie den Mord mit angesehen und vielleicht auch den Mörder erkannt! Warum hat sie geschwiegen? Warum hat sie nicht noch in der gleichen Nacht bei der Polizei angerufen? Was hat sie zu verbergen?« brüllte ich zurück. Ray schwieg. An seiner Stelle sagte Phil:
»Von unseren Leuten war noch nichts zu erfahren. Die Antwort aus Washington ist noch nicht da, aber morgen früh werden wir mehr über die Vergangenheit der Beteiligten wissen.«
Ich bremste vor dem Apartmenthaus, in dem Ruth Ripley wohnte. Alle Fenster der Fassade waren dunkel. Es war eine ruhige Wohngegend, und die Leute gingen früh schlafen.
»Teure Gegend für eine Sekretärin!« bemerkte Phil, während er auf den Klingelknop'f neben dem Schildchen Ripley drückte.
Ray brummte etwas Unverständliches vor sich hin und steckte sich mit einer nervösen Bewegung eine Zigarette an. Phil klingelte ein zweites Mal. Nichts geschah. Der elektrische Summer wurde nicht betätigt, niemand meldete sich in der automatischen Sprechanlage.
»Die Tür ist offen!« sagte ich und drückte die Eingangstür auf. Als ich hineinging, fiel mir etwas auf. Ich bückte mich.
»Jemand hat hier ein Holzstückchen eingeklemmt, damit die Tür nicht zufallen und einschnappen kann!«
»Vielleicht der Hausmeister, damit er nicht immer von den Leuten, die den Schlüssel vergessen haben, herausgeklingelt wird!« vermutete Phil. Ich zuckte die Achseln und ging weiter. Ein grünlich leuchtender Kreis zeigte an, wo sich der Lichtknopf befand. Ich schaltete ihn an, aber wieder geschah nichts.
»Der Lift funktioniert!« sagte Ray und ging auf die erleuchtete Glastür zu.
Im dritten Stock stiegen wir aus und blieben vor der Tür mit dem Namensschild Ruth Ripley stehen. Auch hier oben brannte kein Licht. Phil schaltete seine Taschenlampe ein, und ich drückte auf den Klingelknopf.
Das Läuten hallte durch das Stockwerk. Aber niemand öffnete, kein Geräusch drang aus der verschlossenen Wohnung. Ich läutete wieder.
In dem Moment wurde ein Stück hinter uns die Tür aufgerissen. Eine Männerstimme rief:
»Ist jetzt da endlich einmal Ruhe? Verdammt, ist das ein Krach die ganze Nacht, können Sie nicht am Tag kommen, wie andere Leute auch?«
Wir drehten uns um. In der Tür der gegenüberliegenden Wohnung stand ein älterer Mann. Sein graues Haar war zerzaust, sein Bademantel verdeckte nicht den Pyjama, und seine Füße steckten in ausgetretenen Pantoffeln.
Wir gingen auf ihn zu. Er wich erschreckt zurück, kam dann aber wieder vor.
»Ich rufe den Hausmeister, wenn hier nicht sofort Ruhe herrscht!« fauchte er drohend.
Ich zeigte ihm meinen FBI-Stern. Er starrte ihn verblüfft an und sagte dann erleichtert:
»Aha! Polizei! Dann haben sich also auch andere Mieter über diese Person beschwert!«
»Nun, Person wollte ich nicht sagen«, stotterte der Mann hastig und verwirrt. »Aber Sie werden verstehen, wenn die ganze Nacht Männer an der Tür einer jungen Dame klingeln, dann kann es sich nicht gut um eine Dame handeln. Auch wenn ich bisher nie den Eindruck hatte…« Er brach wieder ab und schnürte sich seinen Bademantel fester zu.
»Sie meinen Ruth Ripley?« erkundigte ich mich. Er nickte.
»Ich will ja
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