0485 - Mein Killer war ein Gentleman
die Sekretärin Mr. Highs. Ganz rot war sie im Gesicht. Ich weiß nicht, ob es von der Anstrengung des Blumentragens war oder die Verlegenheit, so gegen mich getaumelt zu sein.
Sie drückte mir die ganze Blumenpracht in die Arme.
»Helen«, stammelte ich, »was soll denn das?«
Ich stand mitten in unserem Office und konnte gerade noch jenseits des Blumenmeeres Helen erkennen. Sie pustete sich eine Locke aus der Stirn und sagte: »Moment, Jerry!«
Dann hörte ich Wasser rauschen, und endlich wurde ich von dem Blumenberg wieder befreit.
»Was soll das?« fragte ich noch einmal und tat ganz streng.
»Damit Sie es genau wissen, Jerry — sechs von den Blumen stammen von mir. Die übrigen? Sie wissen ja, daß ich Männer im allgemeinen für feige halte. G-men sind es besonders. Alle wie sie hier im Haus versammelt sind! Keiner von denen traut sich, persönlich bei Ihnen mit einem Blumenstrauß anzutanzen und zu sagen, wie froh er ist, den lieben Jerry wieder vor sich zu sehen — und so weiter. Nein, zu mir haben sie die Blumen gebracht, damit ich das erledige. Hiermit habe ich’s getan. Und ich sage es ganz offen: Gott sei Dank, Jerry, daß Sie es geschafft haben. Von dem, was wir alle hier durchgemacht haben, als es hieß, daß Sie… Na ja, Sie wissen schon!«
Sprach’s und sauste aus der Tür.
Ganz gerührt drehte ich mich um. Das Bild am Schreibtisch war einmalig. Phil saß da, hatte den Kopf fast auf der Schreibunterlage hängen und schraubte an einem Kugelschreiber herum.
»Was ist denn mit euch los?« polterte ich los.
Phil hob den Kopf. »Jerry, du kennst mein loses Mundwerk besser als jeder andere. Aber, glaube mir — das, was Helen eben gesagt hat, das ist genau das, was ich gedacht habe. Und jeder andere hier im Haus. Soll ich dir mal was zeigen?«
Er zog die Schreibtischschublade auf und holte einen Zettel heraus. Es war einer jener Gesprächsnotizzettel, wie sie bei uns im Haus üblich sind.
Datum vom Mittwoch. Zeitstempel. Und dann ein kurzer Text: »Anruf NY Medical Center — Jerry Cotton.«
Mehr nicht.
Aber vom »n« bis an den unteren Rand des Zettels zog sich ein dünner Kugelschreiberstrich, so, als hätte die Hand, die das geschrieben hat, keine Kraft mehr gehabt.
Zum Glück schrillte jetzt das Telefon auf dem Schreibtisch. Phil nahm es ab und beantwortete irgendeine Frage wegen einer Routineangelegenheit. Ich wühlte mich inzwischen in den Stapel von Papieren, die sich in den letzten Stunden angesammelt hatten.
Eine Meldung legte ich beiseite. Es war die Mitteilung, daß der Gouverneur des Staates New York uns zwei Einheiten der Nationalgarde zur Verfügung gestellt hatte. Mit gepanzerten, schnellen Fahrzeugen. Sollten unsere Gegner tatsächlich im Besitz eines gepanzerten Personenwagens sein, so waren wir ihm jetzt überlegen.
»Kling«, machte das Telefon, als Phil den Hörer auf die Gabel zurücklegte.
Jetzt war mein Freund wieder ganz der alte. »So, Jerry — du mußt dich ja wie neugeboren fühlen. Schieß mal los! Was tun wir?«
»Beweise sammeln«, entschied ich schnell. »Wir schicken ein paar Leute los, die sich erst einmal mit den Angehörigen und dem Personal der tödlich verunglückten Herren McNaill, Murphy und Quiller unterhalten. Das gleiche geschieht mit Abelson, diesem Autoschlosser aus der Bronx. Wir müssen wissen, mit wem der zuletzt zusammen war, welche Lokale er besuchte und so weiter.«
»Gut«, sagte Phil. »So hätte ich es auch gemacht. Damit willst du also Kollegen beauftragen?«
»Ja!«
»Und wir zwei?«
»Du«, sagte ich, »wirst dich mit deinem vertrauenerweckenden Gesicht in die New Yorker Unterwelt begeben. Dort darfst du nach Herzenlust plaudern. Ich will nämlich erfahren, für wen und mit wem Charly Dark zuletzt gearbeitet hat. Vielleicht hörst du bei dieser Gelegenheit auch etwas Über das Girl mit den zweifarbigen Augen.«
»Einverstanden!« knurrte er. »Und was machst du?«
»Zeitungen lesen!« grinste ich ihn an. »Zeitungen lesen?« fragte er verblüfft. »Ja!« sagte ich mit Nachdruck.
»Wozu soll das gut sein?«
»Ich will wissen, wer das nächste Opfer sein könnte!«
Phil schüttelte den Kopf und sah mich so an, als habe er großes Mitleid mit mir. Ich bemerkte, daß ihm eine spitze Bemerkung auf der Zunge lag. Doch er kam nicht dazu, sie auszusprechen, weil das Telefon schon wieder klingelte.
Er nahm den Hörer, lauschte, riß erstaunt die Augen auf, streifte mich mit einem ausdrucksvollen Blick, knallte den Hörer
Weitere Kostenlose Bücher