0487 - Griff aus dem Nichts
ein wenig. »Oh, mein lieber Don, mir war das damals gar nicht so peinlich, wie Ihr befürchtet. Ihr solltet es auch mal ausprobieren. Was glaubt Ihr, was das für ein wunderbares Gefühl ist, die warmen Sonnenstrahlen direkt auf der Haut zu spüren - überall.«
»Igitt! Nie und nimmer!« entfuhr es dem Dicken, und für Augenblicke schien es, als spiele er mit dem Gedanken, sich vorsichtshalber noch einen dicken, bis zum Boden reichenden Wintermantel schneidern zu lassen, um ja nie in Verlegenheit zu kommen.
Nicole hieß auch den Gnom willkommen, der mit seiner tiefschwarzen Haut fast wie ein künstliches Geschöpf aussah. Raffael Bois, hatte einen Begrüßungstrunk arrangiert - süßen, aber leichten Rotwein für Zamorra und Nicole, Met für den Gnom und Cognac für Don Cristofero. Der Mann mit dem wild wuchernden Bart faßte nach dem Cognacschwenker und führte ihn an die rötliche Knollennase, um den Duft des Getränkes zu erschnuppern. »Ah, welch ein Genuß«, seufzte er. »Diese verdammten Engländer kennen so etwas ja leider nicht. Dabei haben sie ihre Piraten in alle Welt geschickt, um andere Länder auszubeuten, und haben trotzdem nichts anderes gelernt, als ein paar Blätter in Wasser zu erhitzen und Milch hineinzuschütten, oder dieses herbe Teufelszeug zu brennen, das sie Whisky nennen. Nun ja, vielleicht kann man anders die steinharten Kekse einfach nicht herunterwürgen, an denen sie dazu wie die Ratten nagen. Auf Euer Wohl, Zamorra!«
Er leerte das Glas in einem einzigen Zug und schüttelte sich dann in grausiger Begeisterung, als sich der Alkohol warm brennend in seinem Inneren ausbreitete.
Zamorra nahm Raffael beiseite. »Hoffentlich haben Sie die Flasche gut versteckt«, meinte er im Flüsterton. »Nicht, daß wir wieder so ein Fiasko erleben wie damals. Der alte Knabe verträgt doch nix! War keine gute Idee mit dem Cognac…«
»Pardon, Monsieur«, wehrte Raffael sich ebenso leise. »Aber es war Mademoiselle Duvals Idee. Sie meinte, zwei Gläser voll würden genügen, dem Grande die nötige Bettschwere zu verleihen; mehr soll er nicht zugeteilt bekommen.«
Zamorra hob die Brauen. War Nicole deshalb so freundlich, weil sie annahm, daß Don Cristofero in Kürze ohnhin cognacselig zu Bette wanken würde? Zuzutrauen war es ihrer weiblichen Hinterlist - die sie selbst natürlich weibliche Voraussicht nennen würde.
»Also, deMontagne, ich muß schon sagen!« machte Cristofero sich bemerkbar. Den heftigen Disput im Auto schien er schon wieder vergessen zu haben; entweder ließ der Cognac ihn bereits alles verzeihen, oder er rechnete damit, daß Zamorra sich in Gegenwart seiner Mätresse und der Dienerschaft etwas zurückhaltender gab. »Ihr tuschelt da mit dem Diener geradeso wie mit Euresgleichen! Ts, ts, ts. Kein Wunder, daß es dieser Welt an guten Sitten mangelt. Sagt dem Lakaien, er solle nachschenken. Es ist doch ein köstliches Getränk, wie’s den Göttern des Olymp nicht besser hätte munden können, wenn es damals schon einer erfunden hätte.«
Derweil war der Gnom glücklich mit seinem Met. Der süße Honigwein war für ihn fast die Erfüllung aller Wünsche, war er doch von Natur aus die Naschhaftigkeit in Person, und allerlei Zauberkunststücke waren ihm schon allein deshalb buchstäblich in die Hose gegangen, weil er in seinen Gedanken mehr damit beschäftigt war, wie er den nächsten Honigtopf am unauffälligsten stibitzen konnte, als mit der Zauberei.
Zamorra berührte Nicoles Arm. »Was ist mit Ted Ewigk?« fragte er auf deutsch, damit Cristofero nicht mehr mitbekam, als er unbedingt wissen mußte. »Am Telefon sagtest du, ich sollte mich beeilen, und jetzt dieser Festakt…«
»Ich dachte, du wärst noch in Lyon«, gab sie zurück. »Es hat noch ein bißchen Zeit. Er ist heute nachmittag zurückgekehrt, hat etwas geschlafen und steht jetzt vermutlich unter der Dusche. Wir sollen nicht vor Mitternacht da sein, meinte er. Wir sollten uns auf eine Überraschung gefaßt machen.«
»Um Mitternacht? Er hätte dann doch ebensogut hierher kommen können«, raunte Zamorra.
»Schon, aber ich dachte mir, daß dann unser guter Cristofero samt Gnom sanft in Morpheus’ Armen ruht und wir uns absetzen können. Ich will dem Don ein bißchen aus dem Weg gehen, verstehst du? Und schließlich sind es ja nur ein paar Schritte!«
Womit sie nicht ganz unrecht hatte; seit der Entdeckung der Regenbogenblumen lagen Château Montagne und Ted Ewigks Villa am Stadtrand von Rom nur noch zwei
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