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0487 - Griff aus dem Nichts

0487 - Griff aus dem Nichts

Titel: 0487 - Griff aus dem Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Weibsbild »meinen Lippen entfleuchen ließ. Wisset, daß es nicht meine Art ist, in dieser unflätigen Form über das schönste aller Geschlechter zu parlieren, indessen fällt mir zu jenem grauslichen Gespenst nichts anderes mehr ein. Mon Dieu, wie soll ich mein Entsetzen in Worte kleiden, das mich angesichts dieser geisterhaften Gestalt erfaßte?«
    Nicole lächelte. »Worte können mich nicht treffen, Don Cristofero«, versicherte sie. »Außerdem braucht Ihr nur tausend oder weniger Jahre zurückzugreifen und findet das Wort wîb, das nichts anderes als der ehrbare Begriff für ›Frau‹ war und im Zuge der Lautverschiebungen und Sprachfortentwicklung zu ›Weib‹ wurde. Ihr dürft also getrost auch mich als ›Weib‹ bezeichnen.«
    Cristofero nahm daraufhin gleich einen ganz großen Schluck. Abermals schüttelte er sich heftig. »Mich dünkt, für ein ›Weib‹ seid Ihr viel zu gebildet, schöne Demoiselle. Könnte es sein, daß Ihr andere Menschen mittels Magie über Euer wirkliches Sein täuscht?«
    Nicole schüttelte den Kopf. »Ach, das wäre doch viel zu anstrengend. Aber in dieser Zeit gehören Wissen und Weisheit längst nicht mehr den Männern allein.«
    »Bedauernswert«, murmelte Cristofero. »Höchst betrüblich. Nun«, er wurde wieder etwas lauter und füllte sein Glas neu, ohne danach die Flasche auch nur annähernd in Zamorras oder Raffaels Reichweite kommen zu lassen, »es ist schon schlimm genug, daß ich mich für viele Monate nur unter Engländern aufhalten mußte. Immerhin, so konnte ich ihre Sprache einigermaßen erlernen, wenngleich ich das auch nur tat, um eventuelle, gegen mich gerichtete Beleidigungen verstehen und auf der Stelle ahnden zu können. Die Engländer selbst mögen ja ihrerseits kein französisch lernen. Dazu sind sie wohl zu dumm. Wie auch immer - das Pembroke-Castle wäre ein hübscher Ort, läge es nicht in einer von Engländern bevölkerten Landschaft, und es wäre ein noch hübscherer Ort, gäbe es dort nicht so ausnehmend viele englische Gespenster. Fast alle sind, äh, waren zu Lebzeiten Engländer. Nun gut, es gibt ein paar Ausnahmen. Aber mußte mir ausgerechnet dieses Weib über den Weg schweben?«
    »Vielleicht könntet Ihr Euch etwas detaillierter ausdrücken«, bat Nicole interessiert.
    »Sie! Diese Bestie in Frauengestalt!« keuchte Don Cristofero. »Könnt Ihr Euch vorstellen, was es für ein Schock ist, jemanden, mit dem Ihr vor ein paar Monaten noch gesprochen habt, jetzt als über dreihundert Jahre altes Gespenst vor Euch zu sehen?«
    »Lieber nicht«, murmelte Zamorra.
    »Doch mir ward so angetan«, ächzte der Zeitreisende. »Kaum erkannte sie mich im Pembroke-Castle, als sie mir auch schon wieder nachstellte, so wie sie es immer getan hat. Ach, es ist so schwierig, sich vorzustellen, daß wahrhaftig mehr als drei Jahrhunderte dazwischenliegen! Also gut, damals… bei Hofe, da war sie ständig hinter mir her. Sie war nicht gerade häßlich, das muß ich gestehen. Aber sie war verheiratet. Mit einem Sekretär des Kardinals Richelieu, jenes scheinheiligen Halunken, der vorgab, ein Mann der Kirche zu sein und doch hemmungslos Politik betrieb. Ich glaube, ich muß noch einen Beruhigungsschluck nehmen, ehe ich mich in wilden Beschimpfungen verliere.« Er schluckte, füllte nach, und seine Zunge wurde ein wenig schwerer. In seinen kleinen Äuglein funkelte es wild. »Wahrhaftig, deMontagne, ein gar vorzügliches Gesöff, dieser Cognac. Wenn der nichtsnutzige Gnom es endlich schafft, uns in unsere Zeit zurückzutragen, müßt Ihr mir unbedingt ein paar Fäßchen davon mit auf die lange Reise durch die Jahrhunderte geben, wollt Ihr?« Er prostete Zamorra wieder zu.
    »Was war denn jetzt mit der Frau des Sekretärs?« hakte Nicole nach.
    »Sie stellte mir ständig nach. Ihr Gatterich vermochte sie wohl nicht zur Genüge zufriedenzustellen, wenn Ihr versteht, was ich meine, allergnädigste Demoiselle. Aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund war sie der Ansicht, daß ausgerechnet ich jene Lücke zu füllen imstande sei, die ihr werter Gemahl hinterließ - und, mit Verlaub, es war eine recht große Lücke.« Er grinste, hustete und wurde rot. »Verzeihung, Mademoiselle. Verzeiht einem alten Mann seine Redeweise, die durch des köstlichen Alkoholes Wirkung leicht enthemmt wird. Ich bitte Euch, haltet Euren Galan davon ab, dafür Satisfaktion zu verlangen; höchst ungern würde ich ihn als Schaschlik an meiner Klinge wiederfinden. Sollte ich Euer zartes Gehör mit

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