0488 - Die Mumie und der Totengott
wir brauchen. Sie können sich übrigens davon überzeugen, indem Sie sich umdrehen und das in der Praxis sehen, was ich Ihnen in der Theorie mitgeteilt habe.«
Der Druck an Sukos rechter Hüfte verschwand. Hinter ihm schufen die Diener der Göttin einen entsprechenden Platz. Nur der Mann mit der Beutewaffe stand so, daß die Mündung den Weg des Chinesen begleitete. Er hielt die Beretta mit beiden Händen fest. Sein Gesicht war angespannt. Suko erschrak über die noch jungen Züge.
Der Helfer konnte kaum älter als zwanzig Jahre sein.
Lord Ralston stand dort, wo auch das Mädchen lag. Es fiel Suko schwer, sich dem Totentisch zu nähern. Der Hohepriester hielt seinen Obsidiandolch sichtbar fest. Es war eine kostbare Waffe, aber sie gehörte einfach zum Ritual.
Die Klinge bestand nicht aus Stahl, sondern aus einem sehr harten, vulkanischen, kieselsäürehaltigen, im Prinzip dunklen, aber unterschiedlich gefärbten Gesteinsglas, das aus Äthiopien stammte und schon in der frühen Steinzeit als Werkzeug benutzt worden war. Die Ägypter hatten es übernommen und aus ihnen auch Mordwaffen gefertigt.
Momentan war noch eine Farbe hinzugekommen. An der Außenhaut klebten kleine, dunkelrote Perlen…
Sukos Blick wechselte. Er schaute etwas tiefer, wo das Mädchen lag, das sich nicht mehr rührte und sich auch nicht mehr rühren würde, denn Miriam Kirk war tot.
Auf ihrem hellen Gewand befand sich in der Brusthöhe ein nur kleiner roter Fleck.
»Jetzt können sich die Seelen der beiden treffen«, hörte Suko die Stimme des Lords.
Der Inspektor hob den Kopf. Sein Gesicht blieb glatt, aber in seinem Innern tobte eine Hölle. In seinem Beisein war ein Mord begangen worden, das konnte er kaum verkraften.
»Dafür werden Sie bezahlen müssen, Lord Ralston«, verkündete er. »Sie werden nicht ungeschoren davonkommen, das verspreche ich Ihnen.«
Der Hohepriester lächelte. »Was sind schon die Worte eines Menschen, der so gut wie tot ist.«
»Noch lebe ich.«
»Stimmt, aber nicht mehr lange. Ich selbst werde Sie mit dieser Waffe töten. Sehen Sie es als eine Ehre an. Nicht jeder bekommt die Chance, auf diese Art und Weise sein Leben auszuhauchen. Es ist ein ehrenvoller Tod, das verspreche ich Ihnen.«
»Kommen Sie her!« flüsterte Suko scharf, noch immer voller Zorn über den sinnlosen Mord steckend. »Kommen Sie nur her, ich erwarte Sie!«
»Und hinter Ihnen steht mein Freund. Er bedroht Sie mit Ihrer eigenen Waffe. Sie haben keine Chance, Sie…« Plötzlich verstummte er mitten im Satz. Es hatte sich sichtbar nichts verändert, das sah auch Suko, aber das Gesicht des Hohepriesters nahm einen anderen Ausdruck an. Es schien so, als würde er nach innen lauschen, ob da irgendeine Stimme war, die ihm etwas mitteilte.
»Sie ist da!« hauchte er plötzlich und wirkte nervös. »Ja, sie ist gekommen, Freunde. Der Seelenaustausch hat geklappt. Aber sie kann sich nicht bemerkbar machen. Jemand befindet sich in ihrer Nähe, der sie daran hindert. Doch sie ist da.«
»Die Göttin?« fragte jemand.
»Nein und ja. Das Hindernis… es ist einfach zu groß. Der Weg für Sechmet ist eigentlich frei, aber sie kann trotzdem nicht kommen.« Lord Ralston schüttelte den Kopf, als könnte er dies alles nicht begreifen. Dann schaute er Suko an. »Was hast du getan, Unwürdiger?«
Suko zeigte dem Mann seine Handflächen. »Nichts habe ich getan. Sie hatten mich doch unter Kontrolle.«
»Trotzdem hat sich etwas verändert.«
»Dafür kann ich nichts.«
»Indirekt schon. Unsere Pläne sind gestört worden. Wir müssen zur Pyramide, Freunde.«
»Ist sie da?« fragte jemand.
»Ich spüre es. Etwas ist zurückgekommen. Sechmet will erwachen, aber sie kann nicht.«
Der Mann, der Sukos Beretta hielt, fragte: »Und was machen wir mit ihm? Soll ich ihm eine Kugel in den Rücken schießen?«
Es sah so aus, als wollte der Hohepriester zustimmen, aber er sagte das Gegenteil von dem. »Nein, er ist mir zu wertvoll geworden. Wir werden ihn mitnehmen. Wir müssen zur Pyramide. Nur dort kann es sich entscheiden, nur dort…« Er warf einen Blick auf die Tote. »Zwei Seelen haben sich getroffen und können trotzdem nicht zusammenkommen. Woran mag es liegen? Was ist geschehen? Wir haben voll auf die Pyramide gesetzt. Sie besaß sämtliche Voraussetzungen, aber …«
Suko spürte noch den Luftzug, drehte den Kopf zur Seite, so daß ihn seine eigene Waffe nur streifte, hinter dem Ohr vorbeiglitt und seinen Nacken erwischte.
Der Schmerz war
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