049 - Der Android
benötige Ihre Dienste heute nicht mehr.«
»Ja, Sir. Ich hoffe, Ihrer Tochter geht es gut, Sir.«
Crow schloss die Tür, ohne zu antworten. Vor ihm lag ein schmaler, langgezogener Raum, dessen Wände mit holographischen Bildern verziert waren, die über die Fensterlosigkeit hinwegtäuschen sollten. Eine Weide voller (er benötigte einen Augenblick, bevor er sich an den Namen der Weidetiere erinnerte) Pferde, ein schneebedeckter Berggipfel, um den ein Vogel kreiste, ein Ozean bei Sonnenaufgang - all das betrachtete Crow, bis er den Moment nicht mehr länger hinauszögern konnte und sich neben Lynne auf einen Stuhl setzte.
Er war froh, dass man sie aus der Nährflüssigkeit genommen und in ein richtiges Bett verlegt hatte. So blieb ihr zumindest der Schock erspart, in einem luftdichten Tank voller Schläuche zu erwachen. Dadurch verzögerte sich zwar der Heilungsprozess ein wenig, aber Crow hielt das für einen akzeptablen Preis und hatte so lange auf Takeo eingewirkt, bis der zögernd zustimmte.
Zum ersten Mal, seit er den Raum betreten hatte, richtete er den Blick auf seine Tochter. Ihr Gesicht wirkte blass und ausgezehrt, die roten Haare stumpf. Der Blutverlust, die Infektionen und der lange Aufenthalt in der Stasis hatten Spuren hinterlassen, die auch mit Hilfe der Nährflüssigkeit nur langsam verschwanden.
Andere Spuren, das wusste Crow, würden nie verschwinden. Auf dem weißen Laken lagen sie deutlich sichtbar vor ihm: Lynnes Plysterox-Arm mit seinem metallisch glänzenden Schultergelenk und die Hüfte, die man mitsamt des Oberschenkels hatte austauschen müssen, da das Gewebe zu stark beschädigt worden war. Wäre es nach Takeo gegangen, hätte er das komplette Bein ersetzt, aber Crow hatte sich geweigert.
Neben ihm stöhnte Lynne leise. Die Finger ihrer künstlichen Hand bewegten sich leise surrend und zerfetzten das Laken. Takeo hatte ihn darauf vorbereitet, dass es einige Tage dauern würde, bis seine Tochter die Stärke der neuen Gliedmaßen zu kontrollieren lernte.
»Lynne«, sagte Crow und beugte sich zu ihr herunter. »Kannst du mich hören?«
Sie stöhnte erneut. Ihre Lider flatterten, dann öffnete sie die Augen und sah ihn mit glasigem Blick an.
»Daddy?«
»Ich bin hier.« Ohne nachzudenken ergriff er ihre künstliche Hand. Das Plysterox fühlte sich kalt und fremd an. Er zog seine Finger zurück.
»Du bist in Kalifornien, Lynne«, sagte er sanft. »Wir haben dich hierher gebracht, nachdem du auf Cape Cana- veral verletzt wurdest. Kannst du dich daran erinnern?«
Ihr Blick klärte sich. »Das Shuttle… die Running Men und McKenzie… er ist nicht McKenzie, Dad, er…«
Sie schüttelte den Kopf, als müsse sie Klarheit in ihre Gedanken bringen. Crow ließ sie gewähren, drängte sie nicht, obwohl ihn die Neuigkeit völlig überraschte. Insgeheim war er stolz, dass seine Tochter bereits im Moment des Erwachens an ihre Pflichten dachte, aber er fürchtete, dass sich das änderte, sobald sie ihren Zustand bemerkte.
»Das Krokodil, Dad, da war ein Krokodil… und es hat…«
Sie hob ihre linke Hand und lächelte sichtlich erleichtert. »Ich dachte, es… ich habe wohl geträumt.«
Crow bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. »Du hast nicht geträumt, Lynne. Das Krokodil hat deinen rechten Arm abgerissen und dir ein Stück aus der Hüfte gebissen.«
Er drückte sie vorsichtig zurück auf die Laken, als er ihren entsetzten Blick bemerkte.
»Es wird alles wieder gut. Du wirst dich ganz normal bewegen können. Niemand wird sehen, dass es nicht dein richtiger Arm, sondern eine -«
Prothese, wollte er sagen, aber im gleichen Moment riss Lynne den Arm so schnell nach oben, dass er nicht mehr ausweichen konnte. Ein stahlharter Plysterox-Ellbogen bohrte sich in seinen Magen, raubte ihm den Atem und ließ ihn haltlos zusammensacken.
Dann begann Lynne zu schreien. Sie schrie, bis ihre Stimme heiser wurde und ihre Kräfte schwanden. Als Crow wieder klar denken konnte, hatte sie sich bereits auf die Seite gedreht, den Kopf unter dem Kissen verborgen, und egal was er tat, ihr Schluchzen brach nicht ab.
***
Aiko folgte dem Kampfroboter durch die unterirdischen Gänge. Vor einer halben Stunde war ein Diener vor dem Haus aufgetaucht, das Takeo ihm zugeteilt hatte, um ihm mitzuteilen, dass der Operationssaal vorbereitet war. Der Diener hatte sich mittlerweile zurückgezogen, aber der Robot wich nicht von seiner Seite. Aiko gewann langsam den Eindruck, dass er mehr zu seiner
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