049 - Der Android
Kontrolle als zu seinem Schutz gedacht war.
Trotzdem spürte er kein Misstrauen, nur Respekt und Bewunderung für die Leistung, die sein Vater vollbracht hatte. Die wenigen Blicke, die er durch offen stehende Türen werfen konnte, bewiesen ihm, wie technisch fortgeschritten Takeos Anlage war.
Etwas Ähnliches hatte er selbst in Amarillo nicht gesehen.
Seine Gedanken kehrten zurück zu seinem Vater und der Unterhaltung, die sie geführt hatten. Nach der langen Suche war er sich nicht sicher gewesen, was er von dem Treffen erhofft hatte, und er ahnte, dass auch Takeo unsicher und nervös war.
Wir werden Zeit brauchen, dachte er, um normal miteinander umzugehen.
An einer Kreuzung bogen sie nach links ab. Aiko versuchte instinktiv auf seine Orientierungssysteme zuzugreifen und erinnerte sich erst dann, dass auch sie beschädigt waren. Seine unver- stärkten Sinne reichten nicht aus, um hier unten den Überblick zu behalten, und nicht zum ersten Mal dachte er daran, wie schutzlos Menschen ihrer Umgebung ausgeliefert waren. Er empfand den Gedanken als beängstigend.
Die Schreie begannen so unvermittelt, dass Aiko trotz der geringen Lautstärke zusammenzuckte. Es war eine Frau, die anscheinend in höchster Verzweiflung schrie. Sein verbessertes Gehör nahm wahr, dass sie sich rechts von ihm befinden musste.
Aiko dachte nicht lange nach, sondern drehte sich um und lief los. Vier Schritte kam er weit, dann spürte er den stahlharten Griff des Kampfroboters an seinem Oberarm.
»Lass mich los!«, befahl er, aber der Griff lockerte sich nicht. »Du bist mir unterstellt. Ich befehle dir, mich sofort loszulassen!«
Der Roboter reagierte nicht, stand einfach mit schräggelegtem Kopf da, als lausche er auf entfernte Stimmen. Bekommt er Anweisungen per Funk?, fragte sich Aiko.
Die Schreie zerrten an seinen Nerven. Er versuchte sich loszureißen, erreichte jedoch nur, dass der Griff schmerzhaft verstärkt wurde. Ein Knochen wäre längst gebrochen, und selbst das Plysterox, das sich unter seiner Kunsthaut befand, knirschte unter dem Druck. Takeo schien eine Möglichkeit gefunden haben, den Kunststoff zu verstärken.
Der Kopf des Robotors nahm eine normale Haltung an, dann zog er Aiko trotz heftiger Gegenwehr weiter in die Tiefe des Ganges hinein. Hinter ihm brachen die Schreie ab.
***
»Matthew Drax ist hier?«
Fähnrich Joshua Harris senkte unwillkürlich die Stimme, obwohl alle anderen Tische in dem großen Speisesaal unbesetzt waren.
Garrett fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Ich habe ihn selbst gesehen, ihn und diese Barbarin. Sie waren keine zehn Meter von mir entfernt.«
»Wie hat der General reagiert?«
»Er hat irgendwas von unvorbereiteten Angriffen gemurmelt. Ich glaube, dass er im Moment völlig mit seiner Tochter beschäftigt ist und sich über nichts anderes Gedanken macht.«
Da konntest du Recht haben, dachte Harris und schob seinen Teller mit dem halb aufgegessenen Hähnchenschenkel zur Seite. Zufrieden bemerkte er Gar- retts neidischen Blick, bevor er sich wieder dem anstehenden Problem widmete. Drax' Anwesenheit war vermutlich nicht mehr als ein Zufall, aber in der momentanen Lage mit der hilflosen Lynne Crow und ihrem abgelenkten Vater stellte er eine erhebliche Gefahr dar. Weder er noch Garrett waren bewaffnet und wer konnte schon sagen, wie Drax reagierte, wenn er erfuhr, dass General Crow so nah war? Er hatte Washington gemeinsam mit den Running Men verlassen; somit betrachtete er den Weltrat wohl als Feind.
»Wir müssen für den General entscheiden, Josh und in seinem Interesse handeln.«
Harris schwieg und begann mit einem Zahnstocher nach Fleischresten zwischen seinen Zähnen zu suchen. Im Gegensatz zu den meisten anderen kaufte er Garrett nicht ab, dass der auf die Vorzüge eines intakten Gebisses verzichtete, um seinen Hass aufrecht zu erhalten. Vielmehr nahm er an, dass er damit Crow imponieren wollte, der einmal gesagt hatte, ein Krieger solle die Narben seiner Kämpfe mit Stolz tragen. Dummerweise schien die Taktik zu funktionieren, denn nur so ließ sich erklären, dass Garrett in die engere Auswahl zum Adjutanten gerutscht war. Allein das war ein Grund, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu provozieren.
»Richtig, Jeremiah«, sagte er, »in seinem Interesse, nicht in deinem.«
Garretts Augen blitzten, nicht nur, weil Harris ihn bei seinem ungeliebten Vornamen nannte. »Was willst du damit sagen?«
Er ist so durchschaubar, dachte Harris und legte den Zahnstocher
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