049 - Die Höhle der Untoten
griff blitzschnell zu und drückte den jungen Mann auf den Boden zurück.
»Still!«, sagte er eindringlich, fast beschwörend. »Helfen können wir jetzt nicht.«
Walter presste sich gegen die Erde und hielt sich die Ohren zu.
Dorians Gesicht war zu einer versteinert aussehenden Maske geworden. Nach einer Zeit, die ihm endlos vorgekommen war, erschien der Dreiäugige vor dem Unterholz. Er winkte die drei übrigen Frauen zu sich heran. Sie hätten den kürzesten Weg wählen können, über den Platz, den die Dolmen begrenzten, doch die Frauen machten einen weiten Bogen um diesen geheimnisvollen Ort, in dessen Mittelpunkt die Blitzeiche stand. Dann verschwanden sie mit dem Dreiäugigen im Unterholz.
Es herrschte Stille.
Der Dämonenkiller begriff zu spät. Der Dreiäugige kehrte nicht in seine geheimnisvolle, magische Höhle zurück. Der Schlund der Höhle hatte sich wieder geschlossen, ohne dass Dorian es bemerkt hatte. Der Dreiäugige war unterwegs, um neue Beute zu machen.
»Los, wir müssen nach Greulingen zurück!«, sagte Dorian hastig zu seinem jungen Begleiter. »Ich fürchte, wir sind übertölpelt worden.«
Die beiden Männer rannten durch den Bergwald zurück, zu dem Wagen, der Walters Vater gehörte. Sie brauchten gut und gern eine Viertelstunde, bis sie ihn erreicht hatten. Betroffen blieben sie stehen, als sie das umgestürzte Wrack sahen. Urkräfte hatten den Wagen umgekippt und das Blech mit wuchtigen Schlägen eingedrückt. Die Wagenscheiben waren ohne Ausnahme zersplittert. Auf wessen Konto dieser Zerstörungsakt ging, war Dorian nur zu klar. Er wunderte sich über die gewaltigen Kräfte des Dreiäugigen. Wie würde er unten in dem kleinen Marktflecken wüten?
Dorian dachte an Coco und rannte los.
Coco lag auf dem Bett und war eingeschlafen. Sie schreckte hoch, als sie dröhnende Axtschläge vernahm, die gegen ihre Zimmertür donnerten. Die Tür knarrte in den Angeln, das Schloss knackte, doch die Tür gab nicht nach. Erstaunlicherweise zersplitterte die Schneide der Axt noch nicht einmal die dünne Füllung: Cocos magischer Zauber wirkte. Schwelle und Tür waren hiebfest geworden. Derjenige, der die Axt führte, schien das inzwischen ebenfalls begriffen zu haben. Schreie hemmungsloser Wut waren jenseits der Tür zu hören.
Coco stand längst neben dem Bett und nährte den Bann. Ihre Hände bewegten sich in Kreisen durch die Luft, wehrten den Angriff noch zusätzlich ab. Plötzlich herrschte Stille. Das Wesen im Korridor hatte von der Tür abgelassen. Sammelte es nur neue Kräfte? Oder suchte es sich ein neues Opfer? Dann hörte Coco jemand auf dem Korridor herumhuschen. Nackte Fußsohlen trippelten über die Dielenbretter. Ekstatischer Gesang schwoll an, ebbte wieder ab, ging in eine monotone Melodie über und schwoll dann wieder an. Und dazwischen dröhnten die Axthiebe. Jetzt splitterte auch Holz. Coco schloss vorsichtig ihre Zimmertür auf, spähte nach draußen – und fuhr entsetzt zurück.
Der Dreiäugige!
Am Ende des langen Korridors stand das Ungeheuer und drosch mit einer schweren Axt auf die Tür ein. Durch die gespaltenen Holzbretter hindurch erkannte Coco den Wirt des Gasthofes. Der Mann war bis an die gegenüberliegende Wand zurückgewichen und hatte seine Arme abwehrend ausgestreckt. Sein Gesicht war nur noch eine von Grauen und Schrecken verzerrte Fratze.
Coco wollte helfen. Sie hob ihre Arme, schrieb Zeichen in die Luft, um das Ungeheuer zu bannen, und erreichte wenigstens, dass das Ungeheuer sich plötzlich blitzschnell umwandte. Es schien Cocos Kräfte gespürt zu haben. Drei blutunterlaufene Augen starrten Coco an. Das breite Maul öffnete sich, zeigte spitze Reißzähne. Das Schreckenswesen brüllte auf und – schleuderte die Streitaxt auf Coco.
Coco hätte wohl kaum eine Chance gehabt, sie wäre nicht schnell genug gewesen. Aber die Axt prallte dicht vor ihrem Gesicht wie an einer unsichtbaren Mauer ab. Der Bann der Schwelle und der Tür hatten seine Wirkung erneut unter Beweis gestellt. Coco hatte die Bannzeichen nicht überschritten. Jetzt schlug sie die Tür zu, schloss ab und lehnte sich gegen die Wand. Sie hörte das Ungeheuer näher kommen. Doch die Schritte entfernten sich wieder. Der schaurige Gesang der Frauen schwoll erneut an. Dann hörte sie wieder die Axthiebe, wildes Gebrüll und einen entsetzlichen Schrei, den nur ein Mensch in Todesangst ausstoßen konnte. Der Gesang der Frauen wurde zu einem entfesselten Kreischen.
Erst viel später merkte Coco,
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