049 - Die Höhle der Untoten
erschöpften Mann auf trockenen Boden. Er schnallte ihm die schweren Pressluftflaschen ab und führte ihn zu einem kleinen Felsbrocken, auf dem er Platz nehmen konnte.
»Sie haben eine Bestie gesehen?«, fragte er.
»Nicht genau«, lautete die keuchende Antwort, die auch der Kommissar zur Kenntnis nahm. »Helmut und Rolf waren vor mir und tauchten in einer großen Halle auf. Und plötzlich war da ein riesiger Schatten. Ich sah, dass sie angegriffen wurden. Sie wehrten sich, und Helmut sprang zurück ins Wasser. Da ist er ja!« Der Taucher sprang auf, riss sich die Schwimmflossen von den Füßen, lief seinem Freund entgegen und half ihm aus dem Wasser, wobei er von Dorian unterstützt wurde.
Gerd Stuefer hielt noch immer den dünnen, biegsamen Sicherungsdraht in Händen und holte jetzt zusammen mit einem anderen Taucher den dritten Mann aus dem Höhlensystem.
»Was war los?« Kommissar Roth hatte sich eingeschaltet.
Die Färbung des aus der Höhle strömenden Wassers war nun eindeutig und ließ leider keinen Zweifel mehr zu: Es handelte sich um Blut. Man bemühte sich um den gerade geborgenen Taucher, der aber die auf ihn einstürmenden Fragen nicht beantworten konnte. Er zitterte am ganzen Leib, schluchzte und stammelte sinnlose Worte. Es war offensichtlich, dass der Mann unter einem starken Schock stand. Warum das so war, sollte sich bald darauf zeigen. Stuefer und ein Mitglied seines Teams zogen den dritten Taucher hoch.
Als er auftauchte, fehlte der Kopf.
Die alte Martha war völlig erschöpft. Sie hatte sich hinauf in den Bergwald geschleppt und konnte sich kaum noch auf den schmerzenden Beinen halten. Unterwegs hatte sie sich keine Ruhe gegönnt. Da hatte etwas Besitz von ihr ergriffen, dem sie völlig ausgeliefert war. Eine geheimnisvolle Kraft trieb sie an, der sie nur zu gern folgte. Sie war glücklich, dieser inneren Stimme gehorchen zu dürfen, die sie auch in das Zimmer dieser jungen schwarzhaarigen Hexe geschickt hatte. Die alte Frau hatte den Grat ihres früheren Bewusstseins überschritten. Was bisher nur in Spuren vorhanden gewesen war, hatte sich in ein neues Sein verwandelt. Vielleicht waren ihre Vorfahren in grauer Vorzeit einmal Hexer und Hexen gewesen? Sie ließ den Bergwald hinter sich und stand bald vor dem Steilfelsen. Martha war in einem weiten Bogen um die Dolmensteine herumgegangen, hatte sie mit misstrauischen Blicken gemustert. Jetzt lagen sie und die Blitzeiche hinter ihr. Sie kniete vor dem Steinfelsen nieder und senkte ergeben den Kopf. Als sie ihn nach langen Minuten wieder hob, sah sie vor sich das weit geöffnete Maul einer Kalkhöhle. Wie selbstverständlich stand sie auf und schritt auf den Eingang zu. Angst hatte sie keine. Dass die Höhle sich hinter ihr schloss, bekam sie überhaupt nicht mit. Die Dunkelheit schien ihr nichts auszumachen. Mit sicherem Schritt fand sie ihren Weg, der sie in die Tiefe der Höhlen hineinführte.
Die alte Frau stieg über Geröll und brüchiges Gestein, ohne sich auch nur einmal anzustoßen. Sie erreichte eine Grotte, legte sich flach auf einen kreisrunden Stein, schob ihren Kopf an das Spundloch heran und sog gierig die Luft ein, die aus der unteren Höhle nach oben stieg. Sie roch feucht und modrig, doch für die alte Frau war sie reine Erquickung. Sie stammelte Wortfetzen, die sie selbst nicht verstand, die aus ihrem Innersten kamen. Es waren Beschwörungen und Lobpreisungen des Bösen. Ein magischer Lichtschein flammte in der unteren Höhle auf, traf ihre Augen.
Sie richtete sich auf und überstieg den Stein. Andächtig ging sie weiter und verschwand in einem engen Höhlengang, der steil nach unten führte. Sie glitt auf dem lehmigen Boden nicht aus, stand fest auf ihren jetzt nicht mehr schmerzenden Beinen und war dann plötzlich in der Grotte.
Die Tropfsteingebilde glühten in einem grünlichen Licht. Groß war diese Grotte. Sie erinnerte in ihren Ausmaßen an ein Kirchenschiff. Und es gab tatsächlich so etwas wie einen Altar, der von Tropfsteinen gebildet wurde. Links davon sah sie einen kleinen See, dessen Wasser vollkommen ruhig und kristallklar war. Weit im Hintergrund der riesigen Höhle war das Rauschen eines unterirdischen Flusslaufes zu vernehmen. Zwischen den Tropfsteingebilden traten jetzt junge Frauen hervor. Ihre Gesichter waren fahlgelb, die nackten Füße ton- und kalkverschmiert. Schweigend umringten sie die alte Frau, berührten sie in einem feierlichen Zeremoniell und öffneten dann den Kreis.
Und da sah sie
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