049 - Trommeln des Todes
verblaßte und schließlich verschwand. Was ist das für eine seltsame Krankheit, die unweigerlich den tötet, den sie befällt?
Darf ich gestehen, daß der Tod Sylvias mich auf beschämende Weise erleichterte? Ihre Schreie, ihre schrecklichen Äußerungen, ihr Wahnsinn waren unerträglich geworden.
Uns blieb nichts anderes übrig, als wieder schlafen zu gehen. Was sollten wir auch tun? George schien ruhig. Er saß auf seinem Bett und schrieb etwas in sein Notizbuch. Draußen tobte das Unwetter.
9. Dezember.
Ich wurde von Lucy geweckt.
„Niemand weiß, wo George ist“, sagte sie.
Ich erhob mich sofort. Das erste, was ich dann wahrnahm, waren die Trommeln, die Todestrommeln, die man deutlich und laut hörte. Der Sturm hatte aufgehört.
Der Himmel schien strahlend blau. Ich traf auf Malcolm und Belfry.
„Ich frage mich, wo George ist“, sagte Theo zu mir. „Wir müssen ihn unbedingt finden. In seinem Zustand kann er wer weiß was anrichten.“
Wir suchten ihn in ganz Baibeck. Der Wind war immer noch heftig. Als wir uns einem Felsbrocken näherten, den wir am Tag unserer Ankunft den „Löwen“ getauft hatten, weil er so aussah, entdeckte ich in der Ferne etwas, das ich zuerst für ein zerfetztes Zelt hielt, das der Sturm dorthin getragen hatte. Es war George. Er lag in unnatürlicher Haltung auf dem Rücken. In seiner linken Hand hielt er ein paar Zettel. Ich nahm sie aus seinen erstarrten Fingern. Es war seine Handschrift und wir lasen:
Ich werde mich noch vor Morgengrauen töten. Einmal, weil ich nicht ohne Sylvia leben kann, und dann, weil ich auch nicht mehr lange zu leben habe. Der blaue Fleck auf meiner Stirn zeigt das an. Ich will sterben, bevor ich meine Freunde im Wahnsinn entmutige und erschrecke. Ich habe nur einen Wunsch: Begrabt mich neben meiner Verlobten.
Mein Kopf ist seit Tagen zum erstenmal wieder klar, und so will ich euch noch etwas sagen: Ich bin überzeugt, daß die Wissenschaft eines Tages, vielleicht schon bald, eine Erklärung für diese Vorgänge findet. Ich bitte euch, haltet fest zusammen, was auch geschieht. Ich bedaure aufrichtig meine Worte und mein Verhalten gegen Higgins und seine Freunde. Ich muß verrückt gewesen sein. Ich bedaure auch die Unannehmlichkeiten, die ich euch jetzt bereite. Aber mit meinem freiwilligen Tod erspare ich euch vielleicht noch viel Unangenehmeres. Ich grüßte euch ein letztes Mal.
George Gael.
Niemand sagte ein Wort. Wir waren alle tief bewegt über diese Zeilen des Toten, die so vernünftig und traurig klangen.
Malcolm fand als erster die Worte wieder.
„Armer George“, sagte er leise. „Was für ein schreckliches Ende!“
Eine kurze Untersuchung ergab, daß er sich vom Gipfel des „Löwen“ in die Tiefe gestürzt hatte. Ein Sturz aus sechzig Meter. Der Tod mußte sofort eingetreten sein. Wir brachten den Leichnam ins Lager.
Gegen zehn Uhr versammelte Malcolm alle, die mit ihm in der großen Höhle hausten. Er sagte zu uns: „Unser toter Freund George sagt, wie wir uns verhalten sollen. Wir können nicht länger in zwei feindliche Lager zerfallen. Wir waren fünfzehn bei der Abreise. Jetzt sind wir nur noch zwölf. Wir müssen alle an einem Strang ziehen. Einige unter euch scheinen das nicht zu begreifen. Peter van Broeck, und auch Sie, Clara Black, Sie werden mir versprechen, die Feindseligkeiten zu unterdrücken. Auch Sie, Belfry. Ich weiß, daß Sie Higgins hassen, und ich weiß auch, warum. Sie brauchen ihm keine freundschaftlichen Gefühle entgegenzubringen, aber wenigstens die notwendige Höflichkeit. Auch Sie, Jane, werden mir dasselbe versprechen.“
„Einverstanden“, sagte Belfry.
Jane, Clara und van Broeck, der noch etwas zögerte, gaben ihr Versprechen ab.
Malcolm fuhr fort: „Higgins und seine beiden Freunde haben einen ähnlichen feierlichen Eid geleistet. Da wir nun einmal an–einandergekettet sind, müssen wir auch versuchen, so gut wie möglich miteinander auszukommen. Wir werden zusammen diese Misere durchstehen und zusammen gerettet. Als erstes müssen wir jetzt etwas für unsere Gesundheit tun. Diese mysteriöse Krankheit, die uns drei Freunde genommen hat, beunruhigt uns alle. Auch Higgins steht vor einem Rätsel. Er meint, es könnte sich hierbei um einen noch unbekannten Virus handeln. Auf jeden Fall wird er uns gleich alle desinfizieren. Das ist notwendig, weil wir uns wegen der Wasserknappheit nicht waschen können. Fred, wollen Sie den Doktor holen?“
Ich bewunderte Theo und
Weitere Kostenlose Bücher