049 - Trommeln des Todes
sehen.“
Wir tasteten uns im Nebel um die Felsbrocken und riefen nach ihm. Unsere Stimmen hallten dumpf in den Straßen von Baibeck wider. Dann endlich fanden wir O’Wilm. Tot.
Er lag vor dem Eingang einer kleinen Höhle. Er erschien mir noch größer, noch magerer, noch schwarzhaariger als sonst. Eines der Pfadfindermesser, die zu unserer Ausrüstung gehören, steckte bis zum Schaft in Höhe des Herzens zwischen seinen Schultern. Er hielt ein paar Diamanten in der Linken.
Ein Zweifel war nicht möglich. Jemand hatte ihn von hinten ermordet. Jemand – aber wer? Wer konnte so etwas tun? Es kam nur einer von uns in Frage. Es sei denn, unbekannte, geheimnisvolle Mächte …
Malcolm war kreidebleich.
„Wer konnte das tun?“ fragte er fassungslos.
Auch Higgins war blaß, aber er sagte mit fester Stimme: „Das hat diesem armen Menschen Leiden erspart. Aber es bleibt ein Verbrechen. Eine Wahnsinnstat. Oder Rache?“
„Ich werde den Schuldigen finden“, sagte Malcolm. „Er wird seine gerechte Strafe bekommen, sobald wir hier ’raus sind.“
„Sobald wir hier ’raus sind“, wiederholte der Doktor mechanisch.
Ich dachte an Peter van Broeck, den dicken, kahlköpfigen Physiker, der für gewöhnlich so friedfertig ist. Aber verfolgte er O’Wilm nicht mit seinem Haß, weil dieser Clara den Hof machte? Wohin kann die Leidenschaft einen Menschen treiben, der in einer so außergewöhnlichen Situation lebt wie wir? Aber die Vorstellung, daß Peter ein Mörder sein könnte, will nicht in meinen Kopf.
Malcolm stellte Nachforschungen an.. Er nahm mich auf die Seite und fragte: „Hast du einen Verdacht? Peter van Broeck?“
Meine Antwort kam zögernd.
„Es kann unmöglich einer von uns gewesen sein. Es muß etwas anderes mitspielen, aber ich weiß nicht, was.“
Theo sah mich streng an.
„Jetzt fängst du wieder mit deinen Schauermärchen an. Du hast doch das Messer in O’Wilms Rücken gesehen. Es ist klar, daß es einer von uns war.“
Den ganzen Vormittag setzte Malcolm seine Untersuchungen fort. Er verhörte jeden von uns. Schließlich fragte er Peter.
„Chef“, sagte van Broeck, „ich bin zwar dazu fähig, einen Menschen zu töten, wenn ich in Wut gerate. Aber feige von hinten – nein!“
Nach dem Mittagessen erklärte mir Malcolm, daß er keinen Verdächtigen finden konnte. Ich wollte schon ausrufen: Siehst du, man muß woanders suchen! Aber ich schwieg.
Theo fuhr fort: „Im Grunde ist es vielleicht besser so. Stell dir vor, der Schuldige wäre gefunden worden, das hätte uns vor
unlösbare Probleme gestellt.“
Ja, vor unlösbare Probleme.
Der Nebel hielt den ganzen Tag an. Am Nachmittag begruben wir O’Wilm neben den drei anderen. Der Platz gleicht schon einem kleinen Friedhof.
In der Ferne hörten wir ein einziges Flugzeug.
Ich sitze in meinem Zelt, zusammen mit Ridell. Ich habe Angst. Sogar meine Kameraden flößen mir jetzt Furcht ein, bis auf Lucy natürlich.
Wir sind nur noch elf. Wer wird der nächste sein? Wer wird noch krank, wer ermordet?
Ich finde, auch Ridell hat eigenartige Augen.
12. Dezember.
Jetzt ist es ganz offensichtlich, daß wir alle untergehen, wenn nicht sofort Hilfe kommt. Das Desinfektionsmittel des Doktors hilft genauso wenig wie Aspirin gegen Cholera. Mary Summer ist erkrankt. Heute Morgen wachte sie mit dem blauen Fleck auf der Stirn auf.
Dieses bewundernswerte Mädchen hat nicht ein Wort der Klage darüber verloren. Sie redet nicht wirr, sie hat keine Halluzinationen, und sie bat selbst darum, daß man Dr. Higgins hole. Seltsame Krankheit, deren Verlauf so verschiedene Formen annimmt. Mary sagte zu Higgins: „Ich weiß, daß ich verloren bin. Deshalb untersuchen Sie mich, soviel Sie wollen, ich stelle mich Ihnen zur Verfügung. Vielleicht hilft Ihnen das, diese seltsame Krankheit zu erkennen.“
Wir nähern uns der Kranken kaum. Alle fürchten die Ansteckung. Clara Black bekam einen Nervenzusammenbruch. Sie wird noch alle mit ihrer Angst verrückt machen.
Ich glaube nicht an Ansteckung. Ich meine, die Krankheit kommt von diesem verwünschten Ort selbst, an den wir alle gefesselt sind.
13. Dezember.
Eine Woche ist es jetzt her, daß uns das Versorgungsflugzeug nicht fand. Wir erwarten keine Hilfe mehr aus der Luft, besonders nicht bei diesem Nebel. Wir hoffen, daß bald Suchtrupps kommen. Aber was passiert mit diesen Menschen, wenn sie unser verhängnisvolles Gebiet erreichen? Müssen sie dann nicht dasselbe furchtbare Schicksal
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