049 - Trommeln des Todes
John Belfry sagte: „Ich fürchte, ein Unwetterzieht auf. Wir sollten uns jetzt auf den Rückweg machen.“
Der Wind war tatsächlich stärker geworden. Wolken aus feinem Sand tanzten über die Wüste. Wir waren mehr als zehn Kilometer vom Plateau entfernt und mehr als fünfzehn Kilometer vom Lager. Theo sah prüfend zum Himmel und zog sein kleines tragbares Barometer aus der Tasche.
„Ja“, meinte er, „ich glaube auch, es ist besser.“
Wir machten kehrt. Die Wüste glühte in der Mittagshitze. Unser Weg führte durch die Hölle. Sand drang uns in die Nase, in den Mund, in die Augen, obwohl der Wind von hinten kam. Aber er wirbelte dichte Wolken auf, die uns wie ein Nebel einhüllten. Jane Wilfrids Kräfte ließen nach. Theo hielt fast die ganze Zeit das Funkgerät, aber manchmal mußten Belfry und ich ihn ablösen. Ich hatte schon ohne zusätzliches Gewicht Mühe, vorwärtszukommen, so war es eine Qual, auch noch den Sender zu schleppen. Ich mußte alle hundert Meter anhalten, um Atem zu schöpfen.
Durst plagte uns. Unsere Kehlen waren ausgedörrt. Wir hatten nur so viel Wasser mitgenommen, wie uns pro Tag zustand. Das war für Normalbelastung gedacht. Aber Strapazen, denen wir jetzt ausgesetzt waren, erforderten andere Mengen.
Ich weiß nicht mehr, wie wir das Plateau erreichten. Wir dachten, wir hätten nun das Schlimmste hinter uns, da brach auf einmal der Sturm los. Jane war am Ende ihrer Kräfte. Sie brach zusammen, und John mußte sie tragen.
Wir schleppten uns in den Schutz des nächsten Felsens, um neue Kräfte zu sammeln. Ich sah, daß auch Lucy sehr mitgenommen war.
Theo erhob sich als erster wieder.
„Wir dürfen nicht hierbleiben“, sagte er. „Bald bieten die Felsen auch keinen Schutz mehr, denn der Sturm wird immer stärker.“
Wir hatten lediglich ein paar Kilometer bis zum Camp vor uns. Diese Strecke war noch schlimmer als alles vorher. Obwohl wir die Sandwüste schon lange hinter uns gelassen hatten, tasteten wir uns weiter durch dichte Staubwolken. Als wir in einen der vielen Felsschächte gerieten, glaubten wir den Boden unter den Füßen zu verlieren, mit solcher Heftigkeit erfaßte uns der Orkan. Alle paar Meter mußten wir uns auf die Erde werfen, um eine Sturmböe zu überstehen. Sämtliche Naturgewalten waren losgelassen, die ganze Natur schien in Aufruhr. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Wir hörten das Trommeln nicht mehr. Aber das hier war noch schrecklicher. Der Sturm erschütterte die Felsriesen von Baibeck.
„Vorwärts! Vorwärts!“ hörten wir immer wieder die Stimme Malcolms.
Er hatte etwas Drängendes, Ungeduldiges in seiner Stimme, als ob er fühlte, daß er im Lager gebraucht wurde, als ob er vorausahnte, daß uns etwas Furchtbares erwarten würde.
Ich übergehe die letzten Kilometer. Sie waren grauenvoll. Aber dennoch erreichten wir das Camp.
Der Orkan war auf dem Höhepunkt angelangt. Der Wüstensand konnte bis hierher vordringen und wirbelte um uns her, der Sturm hatte alle Zelte fortgerissen. Es war fast Nacht.
Unsere Kameraden hatten sich in die große Höhle geflüchtet.
Der Sturm wütete im Eingang. Wir nahmen in der Dunkelheit Lichtschimmer wahr. Es waren Sturmlampen, die an einigen Stellen angebracht waren. Wir hatten kaum ein paar Schritte in das Innere gemacht, da sahen wir vor uns wild gestikulierende Schatten. Schrille Schreie drangen an unser Ohr.
Ich erkannte Mary Summer, die mit flehender Stimme rief: „Hört auf! Hört doch auf, euch zu töten!“
Clara Black hielt sich die Ohren zu und schrie fürchterlich.
Wir gerieten mitten in einen Streit, der verhängnisvoll zu werden drohte. Sam Ridell und Albert O’Wilm waren mit George Gael und Peter van Broeck aneinandergeraten. Das Gesicht O’Wilms war blutüberströmt. Er hielt in der Hand eine schwere Eisenstange. Gael war mit einem Messer bewaffnet. Sie stießen Beleidigungen waus.
Der schmächtige Fred Whistle versuchte vergebens, die Kämpfenden zu trennen. Er wollte Gael das Messer entreißen. Dabei schrie er O’Wilm an, er solle seine Eisenstange wegwerfen.
Theo, der einem Erschöpfungszustand nahe war, brach in den Kampf wie ein Stier. Ich habe ihn so angreifen sehen, als er vor Jahren Kapitän einer Rugbymannschaft war.
Er stieß George Gael zur Seite, warf den dicken Peter van Broeck zu Boden und packte die Eisenstange O’Wilms.
Mit einer Stimme, die sogar den Sturm übertönte, brüllte er: „Hört auf der Stelle auf! Ich schlage jeden zusammen, der sich rührt! Ihr
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