0490 - Feuerschädel
alles Unsinn!« entfuhr es dem Lord. »Ich würde es doch spüren, wenn Gefahr droht. Und dieser Rhu Mhôrven ist harmlos. Der kann keiner Fliege was zuleide tun.«
»Ja«, sagte Zamorra, »das ist eben euer großes Pech, Bryont: Ihr seid keine Fliegen.«
Zu seinem Erstaunen war es ausgerechnet Cristofero von dem Unterstützung kam. »Sir Bryont, Ihr solltet auf Monsieur deMontagne hören. Mag sein Benehmen zuweilen auch entschieden zu wünschen übrig lassen - bisher hatte er stets recht, wenn es um magische Dinge ging. Und mein so schwarzer wie schwatzhafter Diener verriet mir, daß jener Morpheus, oder wie auch immer er sich schimpft, über ungewöhnlich starke magische Kräfte verfügen muß.«
»Mhôrven, nicht Morpheus!« korrigierte Zamorra. »Zwischen lebenden Druiden und toten Altgriechen der Sage gibt’s himmelweite Unterschiede.«
»Welchselbige indessen nichts an den Fakten ändern, mein lieber deMontagne«, gab Cristofero zurück und unterlegte das »lieber« mit so viel Schmalz, daß es Zamorra dabei fast schlecht wurde und selbst Lady Patricia die Augen verdrehte. »Ich kann nichts dafür, wenn jener Morpheus in der Weltliteratur dermaßen unbewandert ist, daß er nicht einmal weiß, wie sein Name richtig geschrieben werden muß, und sich deshalb Morfen… Marvin… nennt, oder wie auch immer man das ausspricht! Soll er sich doch einen anständigen spanischen oder französischen Namen zulegen, und nicht so einen englischen Zungenbrecher.«
»Gälisch, nicht englisch. Gälisch, Don. Das ist eine ganz eigene Sprache.«
»Darüber mögen sich die Gelehrten streiten«, wehrte Cristofero ab. »Für mich gibt es Wichtigeres zu tun.«
Doch was das war, verriet er vorsichtshalber nicht.
***
William schien nicht besonders glücklich darüber zu sein, daß Zamorra ihn sich »ausgeliehen« hatte. Immerhin stand er mit dem Rolls-Royce Phantom bereit, als Zamorra den Wohntrakt des Castle verließ. Der Professor schüttelte den Kopf. »William, der Wagen ist doch viel zu unhandlich, wenn wir zum Friedhof hinauf wollen! Lassen Sie uns lieber meinen Mercedes nehmen.«
Der Butler verzog indigniert das Gesicht. »Bitte verzeihen Sie, Monsieur. Erlauben Sie mir den Hinweis, daß schon vor dreißig Jahren, als Mylord diesen Wagen anschaff en ließ, die Straßen entsprechend aufgearbeitet wurden. Mit dem Phantom kommen wir überall hin, wohin wir wollen, zudem haben Sie es in diesem Fahrzeug wesentlich komfortabler als in Ihrem doch, verzeihen Sie abermals, recht bürgerlichen und unstandesgemäßen Wagen.«
»Und wenn Gegenverkehr kommt?« wandte Zamorra ein.
»Bitte, Monsieur, vielleicht habe ich mich eben nicht verständlich genug ausgedrückt. Die Straßen wurden seinerzeit diesem Fahrzeug angepaßt. Das bedeutet, daß der Gegenverkehr, falls er tatsächlich stattfinden sollte, jederzeit die Gelegenheit hat, bis zur nächsten Kreuzung oder Abzweigung zurückzusetzen und uns passieren zu lassen.«
Zamorra räusperte sich. »Halten Sie das nicht für ein wenig arrogant, William? Bisher war ich immer der Ansicht, daß Sir Bryont recht wenig von Adelsprivilegien hält, und im Straßenverkehr sind alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt. Das gilt meines Wissens auch auf den britischen Inseln.«
»Wir sind hier in Schottland, Monsieur«, erinnerte ihn William sanft. »Die britischen Inseln beginnen erst südlich der Grenze zu England.«
»Himmel, was müßt ihr Schotten die Tommys doch lieben«, stieß Zamorra unwillkürlich hervor. »Trotzdem bevorzuge ich meinen Wagen. Der ist schmaler, wendiger und schneller.«
»Aber Monsieur, es ist nur ein profaner Mercedes!« entrüstete William sich.
Nur. Immerhin war es bis zum Modellwechsel der S-Klasse das Flaggschiff der Baureihe gewesen und technisch besser ausgestattet als der entschieden größere Rolls-Royce Phantom. Doch in diesem Punkt unterschieden sich Schotten nicht von Engländern: Für die Briten war nach wie vor der Rolls-Royce the best car in the world, nicht der Mercedes. Das hatte nichts mit Technik zu tun - der Phantom entstammte im Vergleich mit modernen Fahrzeugen der automobilen Altsteinzeit -, sondern mit Lebensstil.
Hinter den beiden Männern tauchte der Gnom auf. Auch ihn hatte Zamorra gebeten, mitzukommen, und Don Cristofero hatte zugestimmt; er bedurfte der Dienste des Namenlosen ohnehin nicht. Mit Lord Saris zu plaudern und über »den gemeinsamen Feind« zu lästern, war für ihn ein Erlebnis, das er um keinen Preis mehr aufschieben
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