0490 - Feuerschädel
Lucifuge Rofocales Autorität zurückzurufen. Sie wußte aber auch, daß sie selbst nicht stark genug war, sich offen mit Astaroth anzulegen. Eben hatte sie fast geglaubt, er habe sie durchschaut - sie war tatsächlich durch einen Trick auf den Fürstenthron gelangt. Ihr Anspruch war absolut anfechtbar, wenn ihr wirklich jemand auf die Schliche kommen sollte.
Vielleicht sollte sie dafür sorgen, daß Astaroth getötet wurde. Konnte sie ihn nicht Zamorra in die Hände spielen? Wenn er tot war, konnte er nichts mehr gegen sie unternehmen.
Aber momentan konnte sie nicht viel tun. Lucifuge Rofocale hatte einen Befehl erteilt, und Astaroth legte den Wortlaut auf seine Weise aus. Dagegen kam sie nicht so einfach an. Langsam wandte sie sich Astardis zu.
Der androgyne Doppelkörper schüttelte bedächtig den Kopf.
»Du kannst auf meine Hilfe zählen, wenn es wirklich erforderlich ist, Fürstin«, versicherte er. »Ich folge deinem Befehl und gehorche dem Willen des Lucifuge Rofocale. Doch vorerst, scheint mir, ist es Sache der Fürstin der Finsternis selbst, den Plan des Asmodis zu vollenden. Rufe mich, wenn du mich wirklich brauchst.«
Seine Wiederholung von Astaroths Worten klang wie Hohn in ihren Ohren. Der Doppelkörper löste sich langsam auf. Astardis hatte sich zurückgezogen.
Nie zuvor war ihr ihre Ohnmacht so deutlich vor Augen geführt worden. Nominell war sie das Oberhaupt der Schwarzen Familie, und nur Lucifuge Rofocale und natürlich der dreigestaltige LUZIFER standen über ihr. Aber die alten Erzdämonen verlachten sie und tanzten ihr auf der Nase herum, ohne daß sie etwas dagegen tun konnte.
»Das«, flüsterte sie heiser und zitternd vor Zorn, »werdet ihr mir büßen!«
***
Über Llewellyn-Castle strahlte die Mittagssonne in ihrer herrlichsten Pracht und brachte die Schneereste endgültig zum Schmelzen. Nur auf den Berghängen und Gipfeln und dort, wo ausgedehnte Schattenzonen eine Erwärmung verhinderten, glitzerte es nach wie vor weiß.
Don Cristofero hatte seinen Rausch ausgeschlafen und benahm sich polternd und betonköpfig wie eh und je. Aber irgendwie schien Lady Patricia einen beruhigenden Einfluß auf ihn auszuüben. Nach ihrem Erscheinen am Mittagstisch wurde Fuego merklich zurückhaltender, ohne daß ihn jemand entsprechend zurechtgewiesen hatte.
Wie er hierher gekommen war, hatte ihm der Gnom inzwischen mitgeteilt; Cristofero selbst hatte einen klassischen Filmriß. Der schottische Whisky war doch ein wenig zu stark für ihn gewesen. Jetzt begann er sich für die Lebensgeschichte des Lords zu interessieren. »Der Name Saris ap Llewellyn ist mir nicht ganz unbekannt«, versicherte er. »Bestimmt hat Euch, Sir, mein in vielen Dingen recht flegelhafter Nachfahre Zamorra deMontagne, darüber informiert, welch bemerkenswertes Schicksal mich in diese Zeit verschlug, und auch, in welcher Epoche ich eigentlich beheimatet bin. Nun vernahm ich erst kürzlich bei Hofe… pardon, Sir - es liegt für Menschen Eurer Zeit ja schon sehr lange zurück. Kurzum, ich vernahm, daß es Bestrebungen des schottischen Adels gäbe, die Macht der Stuarts wieder zu stärken und ihnen auf den Thron Englands zurückzuverhelfen. Ich vernahm auch, daß dafür ein gewisser Lord Llewellyn erheblichen politischen Einfluß aufzubieten versuchte. Was wiederum den Tudors gar nicht so recht schmecken wollte. Mag es sein, Sir Bryont, daß jener Llewellyn zu Eurem Clan gehörte?«
Zamorra spitzte die Ohren. Diese Version hörte er zum ersten Mal. Natürlich hatten die Schotten auch nach der Hinrichtung Mary Stuarts immer wieder versucht, den Thron über England zurückzugewinnen, aber selbst im Königreich Schottland war die Stuart-Macht stets ein Klotz auf tönernen Füßen gewesen. Bei den Machtkämpfen zwischen Tudors und Stuarts war aber der Name Llewellyn nie in den Geschichtsbüchern erwähnt worden. Wohl aber stand geschrieben, daß ein paar Jahrhunderte vorher ein Llewellyn zum letzten Mal versucht hatte, die eroberungssüchtigen Engländer aus Wales zu verjagen; dieser Versuch endete in einem furchtbaren Massaker, bei dem die Lord Marshers des englischen Königs Edward wälische Soldaten zu Tausenden ins Meer trieben und dort ersäuften, statt ihnen Gefangenschaft oder wenigstens einen ehrenvollen Tod in der Schlacht zu gewähren -sofern das Sterben in einem Krieg überhaupt als Ehre betrachtet werden durfte. Der Sohn des Schlächters, Edward II., war dann der erste Prince of Wales geworden, und dieser Titel für
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