0490 - Hiebe auf den ersten Blick
»Du mußt wachbleiben, du mußt dich bewegen!«
Phil versuchte es. Aber die Beine versagten den Dienst. Nur mit großer Mühe gelang es ihm, die Arme anzuheben. Seine Finger tasteten über eine kalte glatte Wand. Überall war die Glätte, neben ihm und über ihm.
Auf einmal wußte Phil, wo er sich befand. Er lag auf einer Bahre in einer Kühlbox, er befand sich im Leichenkeller des Beerdigungsinstitutes.
Für einen Augenblick drohte sein Herzschlag auszusetzen. Es war nicht die Nähe des Todes, die Phil zusetzte; sondern das Unvermeidliche, das auf ihn zukam und dem er nicht entrinnen konnte. Niemand würde ihn hören, wenn er schrie. Nur die, die ihn hergebracht hatten, und die würden ihm den Schädel einschlagen, wenn sie merkten, daß er noch lebte.
Er versuchte, die Finger zu kneten, versuchte sich in dem engen Gefängnis Bewegung zu verschaffen. Doch seine Anstrengungen wurden schwächer und schwächer. Ein Schleier legte sich vor seine Augen, und plötzlich fühlte er eine angenehme Wärme in sich auf steigen.
»Das ist das Ende«, dachte er. »Wenn mir warm wird, dann werde ich erfrieren.« Indem er diese Veränderung registrierte, bäumte er sich noch einmal auf, nahm seinen ganzen Willen zusammen und rollte sich mühsam auf die Seite. Wieder versuchte er, seinen Armen und Händen Befehle zu erteilen. Er konzentrierte sich erst auf die rechte, dann auf die linke Hand. Und auf einmal spürte er ein leises Prickeln in den Fingerspitzen. Er zog die Hand heran, steckte sie in den Mund und bearbeitete sie mit den Zähnen. Dann machte er den gleichen Versuch mit der anderen Hand. Aber die Kraft, die er dabei verbrauchte, überstieg seinen Willen. Vor seinen Augen tanzten rote Kreise, die sich zu einem Feuer vereinigten. Von weit her klangen Stimmen auf. Er glaubte, meine Stimme zu hören: »Phil, Phil!«
Er lächelte. Die Müdigkeit gaukelte ihm Wunschbilder vor. Aber Phil war glücklich, ehe er in eine tiefe Schwärze eintauchte.
***
Bevor wir die Treppe hinunterstiegen, holte ich das Sprechgerät hervor und drückte auf die Taste.
Tom Crowley meldete sich sofort. »Umstellt das Gebäude«, sagte ich. »Wenn ich innerhalb der nächsten fünf Minuten keine Meldung durchgebe, dringt in den Laden ein. Wir untersuchen den Keller.«
»Okay, Jerry«, klang es etwas verzerrt durch das Gerät.
Dick Borden nahm die Automatik in seine Rechte. Wir hörten auf, Versteck zu spielen. Obwohl wir nicht wußten, was uns erwartete, ahnte ich, daß wir genau richtig lagen. Die Reaktion des Dürren hatte meine letzten Zweifel beseitigt.
Aber wo war Phil? Er mußte in diesem Bau gefangengehalten werden. Doch in welchem Raum sollten wir anfangen?
Unsere Gegner kamen uns zu Hilfe. Plötzlich flammten überall helle Scheinwerfer auf und tauchten den Keller in grelles Licht.
»Hinlegen!« schrie Dick.
Ich reagierte instinktiv, noch ehe Dick ausgesprochen hatte. Wie wütende Hornissen summten die Projektile einer Maschinengewehrgarbe über uns hinweg.
Ich versuchte, die Scheinwerfer zu treffen. Auch Dick schoß.
Die andere Seite erwiderte das Feuer. Aber die unsichtbaren Schützen schienen durch das helle Licht genauso irritiert und geblendet zu sein wie wir. Ihre Garben lagen viel zu hoch.
Endlich gelangen mir zwei Treffer. Weit hinten war es noch hell. Wir selbst lagen im Dunkeln und zunächst einmal für die heimtückischen Schützen unerreichbar.
Tom Crowley mußte die Schüsse gehört haben. Das Glockenspiel der Ladentür begann auf einmal zu tönen und zu klirren. Dann hörte ich Toms Stimme: »Jerry! Wo seid ihr?«
Dick grunzte vernehmlich, was wohl soviel wie »Hier« heißen sollte.
Handscheinwerfer erhellten den Keller.
»Alles okay?« rief Tom, als er uns erblickte. Wir sahen aus, als ob wir Mehl abgeladen hätten, über und über mit Mauerstaub bedeckt. Das waren zum Glück die einzigen Spuren, die das kurze Feuergefecht bei uns hinterlassen hatte.
»Keine langen Reden!« rief ich. »Das ist ein Fuchsbau! Wenn wir die Kerle erwischen wollen, dürfen wir keine Wurzeln schlagen!«
Tom hörte mich schon nicht mehr. Er rannte mit seinen Leuten den Kellergang entlang, dorthin, wo jetzt noch die eine Lampe brannte.
Dick wollte ihm nach.
Ich hielt ihn am Arm fest. »Die schaffen das auch ohne dich. Wir werden uns die anderen Räume vornehmen.«
Ich öffnete die beiden ersten Türen, aber die kleinen kapellenartigen Räume dahinter waren leer. Die nächste Tür führte in den Präparationsraum.
Ich knipste
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