0491 - Der Blutjäger
sie davon. Das Echo rollte über die dicht stehenden Baumwipfel hinweg und verklang in der Ferne.
Keiner der zurückgebliebenen Soldaten sah das kalte Lächeln auf Cramers Lippen. Die Aufgabe, die sie in dieser Nacht bekommen hatten, stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Sie würden nicht weniger als acht Stunden unterwegs sein.
Cramer lachte, als er daran dachte, wieviel Zeit er noch zur Verfügung hatte. Nicht weit von Ulm entfernt, wohnte jemand, den er gut kannte. Eine Studentin, die hin und wieder als Fotomodell jobbte und sich auch hüllenlos in einer großen Illustrierten hatte abbilden lassen. Sie nannte sich Samantha. Was sie bot, stellte so manches in den Schatten, das Cramer schon geboten bekommen hatte.
Er flog den gleichen Weg zurück, den sie auch gekommen waren. Seine Blicke wechselten ständig.
Mal waren sie auf die Instrumente gerichtet, dann wieder glitten sie durch die große Frontscheibe in die Finsternis der Nacht hinaus.
Und in dieser Dunkelheit bewegte sich etwas!
Zuerst war Cramer über die Entdeckung hinweggegangen. Er hatte sie auch als Täuschung angesehen, beim zweiten Mal wurde er aufmerksamer, und beim dritten Mal keimte Mißtrauen in ihm hoch.
Dieser Vorgang hoch über dem Boden war schon mehr als ungewöhnlich. Er dachte darüber nach, welche Vögel es in diesem Gebiet gab. Da waren schon einige Raubvögel vertreten. Bussarde und Falken, aber keiner der Vögel besaß die Größe dieses Monstrums. Der Vergleich mit einem schwingenden Teppich fiel ihm ein, den jemand in die Luft geschleudert hatte, und der sich nun von den Aufwinden tragen ließ.
Links von ihm bewegte sich dieser Gegenstand. Sehr weich flog er, hob sich einmal an der rechten, dann an der linken Seite in die Höhe. Das mußten einfach Schwingen sein.
Cramer hockte unbeweglich auf seinem Pilotensessel. Er ärgerte sich darüber, daß seine Handflächen plötzlich so feucht geworden waren. Vielleicht Angstschweiß.
Der Leutnant ließ das Flugobjekt nicht aus den Augen. Noch gab er keine Meldung durch. Sollte sich der Gegenstand seiner Maschine zu sehr nähern, wurde er zu einer Gefahr, dann mußte er dem Tower Bescheid geben.
Auf einmal war er verschwunden. So schnell, wie er auch erschienen war. Cramer lachte auf, er war erleichtert. Mit dem Uniformärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn und fuhr dabei auch über die Augen, als wollte er einen Spuk fortwischen.
Vielleicht hatte er sich den fliegenden Schatten auch eingebildet. Manchmal sah man halt Dinge, die nicht vorhanden waren.
Der Tower meldete sich. Die Jungs dort wußten, wann Cramer sein Ziel ungefähr erreicht hatte. Der Leutnant gab durch, daß er die Soldaten abgesetzt hatte.
»Und wann werden sie zurückgeholt, Herr Leutnant?«
Cramer lachte wie ein Mädchen. »Das weiß ich noch nicht. Sie haben jedenfalls einiges zu tun, das können Sie mir glauben.«
»Gibt es sonst noch etwas Neues zu berichten, Leutnant?«
Cramer überlegte einen Moment, Sollte er den schwebenden und fliegenden Schatten melden? Unsinn, die im Tower hätten ihm sowieso nicht geglaubt und für leicht verrückt erklärt.
»Nein«, sagte er deshalb. »Es gibt nichts Neues. Ich melde mich…« Das Wort ab bekam er nicht mehr hervor. Plötzlich weiteten sich seine Augen, und die Haut im Gesicht verzog sich, als wäre sie eine Gummimaske. Er sah den Schatten wieder.
Diesmal direkt vor ihm!
Ein gewaltiges, pechschwarzes Gebilde, breit und gleichzeitig hoch, so daß ihm die Sicht auf den nächtlichen Himmel genommen wurde. Und der Schatten besaß ein Maul. Eine gierige, weit aufgerissene Schnauze, die mit kleinen und langen Zähnen bestückt war. Hinzu kamen die kleinen Augen, sie leuchteten als weiße, kalte Punkte oder Kreise in der Schwärze.
Cramer hatte das Gefühl, überhaupt nicht mehr zu fliegen, sondern in der Luft zu stehen. Dabei behielt der Schatten die Geschwindigkeit des Hubschraubers nur bei.
Auch die Leute im Tower merkten, daß irgend etwas nicht stimmte. »Leutnant Cramer, melden Sie sich. Was ist geschehen? Sie wollten etwas sagen!«
Das hatte Cramer auch vorgehabt. Doch das Auftauchen des Schattens stoppte seine Worte. In seinem Kopf drehten sich die Gedanken. Etwas kristallisierte sich hervor.
Ein fliegendes Monster!
Mehr konnte er nicht denken, außerdem mußte er den Leuten antworten. »Ich habe ihn gesehen!« keuchte er. »Verdammt, er ist wieder da!«
»Wer ist da, Cramer?«
»Der Schatten!«
»Was?«
Der Leutnant antwortete
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