0491 - Die Wolfshexe
Wagen kommen«, sagte Zamorra. »Den Kadaver lassen wir hier liegen. Vielleicht ist es ein Alarmsignal für diesen Plouder, wenn er heimkehrt.«
Cinan humpelte, von beiden gestützt, zwischen ihnen her bis zum Cadillac. Zamorra benutzte das Autotelefon und den Notruf; man versprach, sofort einen Notarztwagen aus Brest zu entsenden. Mit etwa 20 bis 25 Minuten war zu rechnen, ehe er eintreffen würde. Zamorra verkürzte diese Zeit, indem er in telefonischer Absprache mit der Einsatzleitung dem Notarztwagen entgegenfuhr. Auf ein paar Minuten mehr oder weniger kam es zwar nicht unbedingt an, aber der Einsatzwagen sparte Zeit für vielleicht dringendere Fälle.
Lenard Cinan wurde »umgeladen«. Der Arzt an Bord des Wagens bescheinigte Zamorra eine erstklassige Wundversorgung. »Aber wir werden nähen müssen. Begleiten Sie uns nach Brest, um den Monsieur anschließend wieder abzuholen?«
Aber das wollte Cinan nicht. »Ich werde ein Taxi nehmen. Oder ich bleibe überhaupt bis morgen im Krankenhaus. Ich habe meine Versicherung in diesem Jahr ohnehin noch nicht richtig geschröpft, und warum soll ich Geld verfallen lassen? Versuchen Sie Yann-Daq zu finden, reden Sie mit ihm. Das ist wichtiger.«
»Er hat nicht unrecht«, sagte Nicole. »Nicht unbedingt, was die Krankenversicherung angeht, aber in bezug auf Plouder. Und bis nach Brest werden die Wölfe so schnell nicht kommen.«
»Dein Wort in Merlins Gehörknorpel«, murmelte Zamorra und wendete den Cadillac, um nach Landéda zurückzufahren. Was hat Cinan gesagt? Wahrscheinlich hockte Plouder gerade in Hervés Kneipe?
Bingo!
***
»Ich möchte mich bei Ihnen bedanken«, sagte Yann-Daq Plouder unbehaglich. »Sie haben mich gerettet, ich verdanke Ihnen mein Leben. Was kann ich tun, um das wiedergutzumachen?«
Mathieu Larchant, der eben das Lokal betreten hatte, lächelte. »Vergessen Sie es einfach«, sagte er. »Außerdem war es meine Tochter, die Sie an der Straße entdeckte. Wenn Sie sich jemandem erkenntlich zeigen möchten, dann ihr gegenüber. Sie hat sich hauptsächlich um Sie gekümmert. Ich war nur der Chauffeur.«
»Da habe ich mal Gelegenheit, in Ihrem großen Wagen zu fahren, und kriege davon nicht mal was mit«, sagte Plouder. »So ein Wagen muß doch ziemlich teuer sein, oder?«
»Es ist ein alter Wagen«, sagte Larchant. »Ich besitze ihn schon ziemlich lange.«
»Aber der Unterhalt kostet doch auch eine Menge. Da muß man schon ungewöhnlich gut verdienen, um so was finanzieren zu können.«
Larchant ging nicht in die Falle. »Vielleicht«, sagte er schulterzuckend. »Ich weiß es nicht. Sehen Sie, für mich reicht es zum Leben, es reicht auch für den Wagen. Das genügt mir.«
»Und Ihre Tochter?«
Larchant runzelte die Stirn mit den buschigen, ausgeprägten Brauen. »Dazu möchte ich Ihnen noch etwas sagen, Monsieur«, bemerkte er. »Und ich bitte Sie, das nicht falsch zu verstehen. Es ist kein Standesdünkel oder so etwas. Es ist einfach der Altersunterschied. Sie sind sicher zwanzig Jahre älter als Mireille. Das kann nicht gut gehen.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Plouder verblüfft.
»Ich habe den Eindruck, daß Sie Mireille… nun, sagen wir, etwas mehr als nur sympathisch finden. In Ihren Augen bemerke ich ein mir nur zu gut bekanntes Leuchten, wenn wir von ihr sprechen. Aber ich glaube, sie sollte einen Partner in ihrem Alter bekommen.«
»Sie glauben…?« stieß Plouder hervor.
Der »Geheimnisvolle« nickte. »Ich bin nicht blind, Monsieur Plouder. Sie haben sich in Mireille verliebt. Wenn Sie es verneinen, belügen Sie nicht nur mich, sondern auch sich selbst. Und ich muß Ihnen leider sagen daß Sie meiner Tochter auch nicht ganz gleichgültig sind. Aber bitte verstehen Sie auch mich in meiner Rolle als besorgter Vater. Der Altersunterschied ist beträchtlich. Noch sind Sie stark und fit. Aber in zwanzig oder fünfundzwanzig Jahren, wenn Mireille in Ihrem Alter ist, sind Sie Rentner, und Mireille würde Sie pflegen müssen und hätte in der Blüte ihres Lebens keinen Genuß mehr davon. Und wenn Sie sterben und Mireille frei wird, ist sie zu alt, um wieder einen neuen Partner zu bekommen - weil dann alle möglichen Partner ihres Alters längst anderweitig gebunden sind. Verstehen Sie, was ich meine, Monsieur?«
Yann-Daq preßte die Lippen zusammen und schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Ich glaube nicht, daß das eine so große Rolle spielt, wie Sie meinen.«
»Bitte, Monsieur Plouder«, sagte Larchant. »Ich will Ihnen
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