0491 - Ein Toter läuft um sein Leben
»Ich habe nur gesagt, wo das Geld ist!«
»Das kommt auf eins heraus«, meinte Earl.
»Nein!« schrie Blight. »Als ich den Laden betrat, war Weston schon tot!«
Richy stieß einen Seufzer aus. »Was versprichst du dir von diesem Blödsinn? Den kauft dir niemand ab, Blight!«
»Ich kann ja nicht erwarten, daß ihr mir glaubt«, murmelte Blight mit heiserer Stimme. »Tatsache ist, daß ich ihn töten wollte. Ja, ich wollte ihn umbringen und berauben! Aber jemand ist,mir zuvorgekommen…«
»Eine Phantasie hat der Bursche!« staunte Earl.
»Er war nicht im Laden. Ich betrat die Wohnung, und da sah ich ihn liegen, tot! Ich war wie betäubt! Dann gab ich mir einen Ruck. Ich öffnete die Ladenkasse. Sie war voller Geldbündel. Ich riß sie heraus und wickelte sie blitzschnell in eine Zeitung. Dann schnappte ich mir eine Stange Zigaretten, die in Griffnähe lag, und hastete aus dem Laden…«
Ein leises Knacken ertönte.
»Der Boß hat abgeschaltet«, meinte Richy. »Das ist ihm einfach zu blöd!«
»Ich kann es ihm nicht verdenken.«
»Warten wir auf Harry«, sagte Richy und schaute Blight an. »Von ihm bekommst du die Quittung!«
***
Das Mädchen kletterte aus dem kleinen roten Flitzer. Sie schloß ihn ab.
»Guten Morgen!« sagte jemand hinter ihr.
Das Mädchen zuckte zusammen. Sie drehte sich um. »Was wollen Sie von mir?«
»Mein Name ist Phil Decker. Ich habe gerade einen Kollegen abgelöst. Wir warten schon sehr lange auf Sie, Miß Weston. Sie sind doch Miß Weston?«
Myrna Weston strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn. »Was hat das zu bedeuten? Sind Sie ein Polizist?«
»Ich bin FBI-Agent. Was bringt Sie auf den Gedanken, daß ich ein Polizist sein könnte?«
»Ich weiß nicht. Sie sehen so ernst aus. Was ist denn passiert?«
»Wissen Sie das tatsächlich noch nicht?«
»Betrifft es Papa?«
»Er ist tot«, sagte Phil, der das Mädchen unverwandt im Auge behielt.
»Oh«, hauchte Myrna und rundete die rot schillernden Lippen. Es klang weder bestürzt noch erschreckt, es war nur ein leiser, überraschter Ausruf.
»Er wurde erschossen«, sagte Phil.
Es gehörte nicht zu seinen Gewohnheiten, Nachrichten dieser Art auf so direkte und fast taktlose Weise zu übermitteln, aber hier schien es doch etwas anders zu sein.
»Wann?«
»Zehn Minuten vor sechs.«
»Da war ich beim Friseur.«
»Sie können mir sicherlich die Adresse geben?« , »Natürlich. Dew’s Beauty Parlor in der Christopher Street. Fragen Sie Miß Callaghan, die hat mich bedient.«
»Der Tod Ihres Vaters scheint Sie nicht sehr tief zu beeindrucken.«
»Er war nicht mein richtiger Vater. Ich war nur seine Adoptivtochter«, meinte Myrna. Sie trug einen leichten hellen Mantel über einem Cocktailkleid. Fröstelnd zog sie die Schultern hoch.
»Warum sind Sie aus der Brickstone Road weggezogen?« wollte Phil wissen.
»Müssen wir uns darüber hier auf der Straße unterhalten?« fragte das Mädchen. »Gehen wir nach oben, in meine Wohnung!«
Myrna Westons Zweizimmer-Apartment war mit Stil und Geschmack eingerichtet. Es gab sogar eine kleine Hausbar darin. Phil schätzte, daß die Einrichtung des Wohnzimmers mindestens dreitausend Dollar verschlungen hatte.
»Ich muß mir einen Cognac genehmigen«, sagte Myrna. Sie warf den Mantel über den Sessel und trat an den Tresen der Bar. »Wie steht es mit Ihnen?«
»Nicht zu dieser Stunde, danke«, sagte Phil und blickte auf seine Armbanduhr. Es war zehn Minuten vor vier Uhr. Er trat an das Fenster und blickte hinaus. Im Osten dämmerte bereits ein schwacher, schmaler Lichtstreifen über den Dächern. Phil drehte sich um. »Wo waren Sie die ganze Nacht?« fragte Phil.
»Bei einem Freund.«
»Wie heißt er?«
»Sie stellen merkwürdige Fragen!«
»Den Namen, bitte!«
»Er heißt Patrick. Duff Patrick.«
»Wann haben Sie den Schönheitssalon betreten, und wann haben Sie ihn verlassen?«
Myrna schenkte sich einen Schwenker zu einem Drittel voll Cognac. Sie musterte Phil mit großen Augen. »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich etwas mit dem Mord zu tun haben könnte? Warum wollen Sie mein Alibi haben?« Sie genehmigte sich einen Schluck und kam um den Tresen herum. Das Glas in der Hand. Sie setzte sich und schlug die schlanken, wohlgeformten Beine übereinander. »Okay, ich nehme an, daß das zu Ihrem Job gehört«, meinte sie. »Ich war für fünf Uhr dreißig bestellt. Gegangen bin ich sechs Uhr dreißig.«
»Wer hat Ihren Vater erschossen?«
»Lieber Himmel, woher
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