0491 - Ein Toter läuft um sein Leben
»Mich verurteilen? Warum sollten sie das tun?«
»Das weißt du doch sehr gut!«
»Nein! Aber ich beginne zu glauben, daß wir uns gründlich mißverstehen. Du gehst von einer falschen Voraussetzung aus.«
»Wie wäre es, wenn wir uns in der Wohnung unterhielten?« fragte Phil. »Hier unten ist es ein bißchen ungemütlich.«
Myrna Weston ließ langsam die Waffe sinken. »Gehen Sie voran!« murmelte sie.
Phil schritt zum Lift. Lindsay und das Girl folgten ihm. Sie fuhren mit dem Lift nach oben, schweigend. Minuten später saßen sie im Wohnzimmer von Myrna Westons Apartment.
Myrna hatte auf einem Hocker an der Bar Platz genommen. Die Waffe lag griffbereit auf dem Tresen. Robert Lindsay saß auf der Couch. Er hatte die Beine weit von sich gestreckt und machte einen erschöpften, apathischen Eindruck. Phil lehnte ruhig und entspannt in einem riesigen Polstersessel. »Sie schulden mir eine Erklärung«, sagte er.
»Ich will damit beginnen«, meinte das Girl. »Es wird Sie überraschen… aber ich wollte ihn uinbringen. Ja, ich wollte meinen Adoptivvater töten!«
»Bitte, Myrna!« stieß Lindsay hervor.
»Warum soll ich mich nicht an die Wahrheit halten?« fragte das Mädchen bitter. »Du hast deine Chance nicht genutzt, Robert! Warum bist du nicht geflohen?«
»Ich will dich beschützen und decken!«
»Die Polizei weiß, daß du es getan hast«, meinte sie leise. »Es wäre klüger gewesen, du hättest dich um deinen eigenen Schutz bemüht!«
Lindsay riß die Augen auf, »Was soll ich getan haben?« fragte er. »Ich bin doch kein Mörder! Ich dachte, daß…«
Er unterbrach sich und schwieg.
Phils Augen wurden schmal. Ihm dämmerte, was geschehen war. Robert Lindsay hielt das Mädchen für die Mörderin, und Myrna glaubte, daß Robert die Tat begangen hatte.
»Haben Sie Weston getötet, Lindsay?« fragte Phil.
»Nein!«
»Sie wußten aber, daß er ermordet wurde, nicht wahr? Als Sie den Laden betraten, war er schon tot!«
Lindsay senkte den Kopf. »Ja, das ist richtig.«
»Vor dem Laden stand der Wagen von Myrna Weston. Sie glaubten, daß sie es war, die den Mord begangen hatte, nicht wahr?«
Lindsay schluckte. »Ja.«
»Robert!« Das Girl schrie es fast. Dann ging ihre Stimme in ein Wimmern über. Sie schlug die Hände vors Gesicht. »Er hat ja recht. Ich wollte es tun. Ich wollte ihn töten! Aber ein anderer ist mir zuvorgekommen!«
»Und Sie glaubten, Robert Lindsay hätte Ihren Vater umgebracht?« fragte Phil das Mädchen.
»Ja«, nickte Myrna.
»Feine Gesellschaft«, knurrte Phil. »Wirklich, ihr beide gebt später mal ein prächtiges Ehepaar ab!«
***
Phil leerte schon den dritten Kaffeebecher. »Jetzt haben wir drei Verdächtige mit Mordmotiven!« sagte er. »Robert Lindsay aus Liebe, Myrna Weston aus Rache, weil der alte Weston ihre Stiefmutter ermordet hat, und Tom Blight, weil er endlich einmal leben will!«
Vor mir lag ein Notizblock mit allerlei Bemerkungen. Ich verzierte sie mit einigen Bleistiftschnörkeln. »Wir haben noch einen vierten«, sagte ich.
Mr. High, unser Chef, in dessen Office wir saßen, hob mit einem Ruck das Kinn. Auch Phil starrte mich an, Seine Augen verrieten, daß er eine schlaflose Nacht hinter sich hatte.
»Charles Farris«, sagte ich.
Mr. High runzelte die Augenbrauen. »Ist das nicht der junge Bursche, der die Schüsse gehört haben will?«
»Das ist der Punkt, an dem ich einhaken möchte«, nickte ich. »Farris hat sich verplappert.«
»Richtig«, sagte Mr. High. »Er sprach von Schüssen, obwohl die bisherigen Untersuchungen klar ergeben haben, daß in der Wohnung nur ein einzelner Schuß abgefeuert worden ist.«
»Was hätte Farris veranlassen sollen, mit einer Falschmeldung in das Lokal zu platzen?« fragte Phil. »Damit hat er doch zugegeben, zur fraglichen Zeit am Tatort gewesen zu sein!«
»Eben!« sagte ich. »Farris hat möglicherweise versucht, sich ein Scheinalibi zu verschaffen. Nehmen wir einmal an, daß er der Mörder war. In diesem Fall mußte er befürchten, daß ihn jemand in der Ladennähe gesehen hat. Um etwaige Verdächtigungen abzubiegen, polterte er mit der Nachricht in die Kneipe, daß in Westons Laden oder Wohnung ein paar Pistolenschüsse gefallen seien.«
»Stimmt, das ist verdächtig«, meinte Phil. »Ein junger Mann würde vor den Schüssen kaum davonlaufen.«
»Farris schickte mich kurz darauf los«, sagte ich. »Er wollte erfahren, was es gegeben hatte. Möglicherweise wollte er sich nur vergewissern, ob Weston
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