0492 - Der Zug aus der Hölle
Freund Assi da sein, der uns unterstützt«, sagte Nicole. Zamorra verzog das Gesicht. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Vielleicht beschränkt er sich darauf, uns nach Schottland zu bringen, und zieht sich dann zurück.«
»Du meinst…?«
»Ich meine, daß er darauf verzichtet hat, selbst einzugreifen, sondern erst uns alarmierte, damit wir etwas für Bryont tun. Umständlicher geht’s kaum noch. Ich frage mich, was er mit diesem Vorgehen bezweckt. Er muß noch einen Hintergedanken dabei haben.«
»Du traust ihm also auch nicht mehr?«
Zamorra zuckte mit den Schultern.
»Wenn es unter den Schwarzblütigen jemals einen gab, dem man vertrauen konnte, dann war es von jeher Asmodis. Er hat nie die Unwahrheit gesagt, und er befolgt immer noch seinen ganz eigenen Ehrenkodex. Damals, als Oberteufel, genauso wie jetzt. Aber das heißt nicht, daß er nicht seine eigenen Wege geht und dabei versucht, uns vor seinen Karren zu spannen. Daß er nicht lügt, heißt nicht, daß er die volle Wahrheit sagt. Er kann uns durchaus etwas Wichtiges verschwiegen haben, weil ihm das persönlich besser nützt. Immerhin ist er nicht unser Feind, das ist unser großer Vorteil. Er wird sich also zumindest nicht gegen uns stellen.«
»Ich habe mir gerade vorgestellt, was Gryf oder einer von den anderen jetzt sagen würde«, dachte Nicole laut, während sie wieder in den Cadillac stiegen, der momentan der einzige vorhandene Wagen war. Zamorras BMW 740i wurde immer noch von Ted Ewigk gefahren, der sich nach wie vor an der Bretagneküste herumtrieb, um an seiner Umweltreportage zu arbeiten. In der Region um Brest wurden die Purpurnen Strandschnecken neuerdings in erschreckendem Maße steril oder wechselten sogar ihr Geschlecht von weiblich auf männlich, was auf eine Chemikalie zurückzuführen war, die aus bestimmten Schutzfarben herausgewaschen wurde. Farben, mit denen der Unterwasserbereich von Schiffen angestrichen wurde, damit sie weniger anfällig für Muschel- und Algenbewuchs waren. Diese hochgiftige Chemikalie war seit rund zehn Jahren verboten, wurde aber offenbar immer noch fleißig verwendet; Ted Ewigk ging jetzt den Hintergründen nach.
Diesmal saß Nicole am Lenkrad und steuerte den Cadillac wesentlich vorsichtiger den Berg hinab, als Zamorra ihn hinauf gefahren hatte. »Teufel bleibt Teufel, würde Gryf sagen«, spann sie den Faden weiter, obgleich Zamorra nicht darauf eingegangen war. »Er würde annehmen, daß es sich um eine Falle handelt - aber für uns, nicht für Bryont. Der wäre nur der Köder, um uns in die Hölle zu locken.«
»Wie kommst du darauf, daß wir in die Hölle gelockt werden könnten?« fragte Zamorra etwas verblüfft.
»Na, Lucifuge Rofocale wird den Zug wohl kaum, zur Erde gesandt haben, damit er hier herumspukt. Der wird in die Hölle zurückkehren. Also werden wir möglicherweise dort ansetzen müssen.«
»Bliebe zu klären, wie wir dorthin gelangen. Um ein Weltentor zu öffnen, benötigen wir Ted Ewigk und seinen Machtkristall. Wir Sterblichen haben ja nicht die magischen Mittel, die ein Teufel hat, um zur Hölle zu fahren.«
Nicole schmunzelte. »Es gäbe da ein recht probates Mittel«, sagte sie spöttisch. »Lebe so sündhaft wie möglich, stirb schnell, und du hast deine Höllenfahrt.«
»Sündhaft leben?« wiederholte Zamorra. »Wenn ich dich so ansehe und mir überlege, daß es eine ganz bestimmte Art des sündhaften Lebens gibt, nun ja… darüber ließe sich vielleicht reden. Dazu müßtest du dich jedoch erst mal wieder aus deinem Wintermantel und dem überflüssigen Rest deiner Textilien schälen. Allerdings gefällt mir bei dieser Variante der Höllenfahrt nicht, daß es keine Rückfahrkarte in die Welt der Lebenden gibt.«
»Tja«, seufzte Nicole, »ein fieser Haken ist immer und überall dabei.«
Wenig später stoppte sie den chromblitzenden Straßenkreuzer wieder vor Mostaches Gasthaus. Als sie das Lokal - wie üblich, wenn sich vorn die »Mostache’sche Seenplatte«, ausdehnte - durch den Seiteneingang betraten, sahen sie sich vergeblich nach Sid Amos um.
Mostache breitete hilflos die Arme aus.
»Sage keiner, ich wäre nicht froh, daß er weg ist«, gestand der Wirt. »Auf solche Gäste kann ich durchaus verzichten.«
»Was ist passiert?« fragte Zamorra nervös.
Mostache streckte ihm die offenen Handflächen entgegen. »Keine Ahnung. Mir sagt ja keiner was. Das Einzige, was er andeutete, war, daß er noch etwas Dringendes zu erledigen habe und nicht länger auf euch
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