0492 - Der Zug aus der Hölle
Suche so ungemein spannend - wo sind der Lord und seine Leute derzeit? Schon in der Halle im großen Kessel gelandet? Was hältst du davon, wenn wir versuchen, Gryf oder Teri zu erreichen? Manchmal sind sie ja in Gryfs Blockhütte anzutreffen. Sie könnten uns holen und nach Schottland bringen.«
Zamorra nickte. »Wäre eine letzte Möglichkeit. Aber ich glaube, das ist nicht unbedingt nötig.« Sie waren mittlerweile an der Vorderseite des Lokals und damit an der Straße angelangt. »Da klaut gerade einer dein Auto!«
Nicole spurtete los. Daß es hier im Dorf tatsächlich Autodiebe gab, war praktisch undenkbar, und deshalb nahm sie Zamorras Worte auch nicht unbedingt ernst. Aber daß jemand hinter dem Lenkrad ihres Straßenkreuzers saß, der da nicht hingehörte, erkannte sie trotz der Dunkelheit. Sie riß die Autotür auf. Eine penetrant stinkende Schwefelwolke quoll ihr entgegen. Wütend packte sie den Mann bei den Schultern und riß ihn schwungvoll aus dem Wagen. Er stürzte der Länge nach auf die Straße, verfehlte eine Pfütze nur knapp.
»Bist du wahnsinnig?« schrie Nicole ihn an. »Mein Auto zu verpesten! Ich drehe dir den Hals um, du Teufel!«
Sid Amos erhob sich und kicherte grinsend. »Nun reg dich mal nicht so auf. Das verfliegt wieder.«
»Ich will mich aber aufregen!« empörte sie sich. Neben Professor Zamorra war der Wagen ihre zweite große Leidenschaft. Naserümpfend schwang sie sich hinein und öffnete das Verdeck, damit die Dunstwolke leichter abziehen konnte. »Das wirst du mir büßen, du Ratte! Wenn sich der Gestank schon in die Polster gefressen hat, dann sei der liebe Gott dir gnädig!«
Sid Amos klopfte seinen Anzug ab. »Oh, ich weiß nicht, ob ich auf dessen Gnade überhaupt hoffen darf«, murmelte er. »Aber ich kann dir einen guten Zauber verraten, mit dem du Geruch sogar aus den aufnahmefähigsten Stoffen verbannst, ohne sie in die Hände einer Reinigung geben zu müssen.«
Zamorra schob sich zwischen die beiden Streitenden. »Wieso warst du zwischendurch verschwunden, und weshalb tauchst du jetzt in Nicoles Auto wieder auf?«
»Ich hatte noch eine kleine Besorgung zu machen. Ihr habt euch ja schließlich auch ausgerüstet, nicht wahr?« sagte Amos. »Und weil ich mir vorstellen könnte, daß euer Wirt von einer abermaligen Schwefelwolke in seinem Lokal nicht gerade entzückt sein dürfte, habe ich mich eben direkt hierher versetzt.«
»Warum in mein Auto? Warum hast du deinen Schwefelgestank nicht im Freien verbreitet?«
»Weil es hier im Freien so arg kalt ist, und ich mag Kälte nicht so sehr. Außerdem ist mein Mantel noch drinnen im Lokal.«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Wozu überhaupt der Gestank? Ich kann mich dumpf daran erinnern, daß du dich früher wesentlich geruchloser bewegt und abfällige Bemerkungen über deine Artgenossen gemacht hast, die das nicht hinbringen.«
»Die Zeiten ändern sich. Man wird eben alt«, gab Amos zurück. »Können wir jetzt endlich nach Schottland, oder habt ihr noch ein paar längere Grundsatzdiskussionen vorbereitet?«
Sid Amos streckte die Hände aus. »Faßt an«, sagte er.
Dann rief er seinen Zauberspruch, stampfte auf und drehte sich einmal um sich selbst. Nicole schrie auf. Zamorra knurrte eine Verwünschung. Durch die Drehung wurden sie beide von den Füßen gerissen und herumgeschleudert. Im nächsten Moment wechselte die Umgebung um sie herum.
***
Der getarnte MIB registrierte die Einfahrt des Zuges in die Hölle. Alles veränderte sich. Ein Teil der Naturgesetze galt nicht mehr in der irdischen Form. Ganz langsam begann das große Weltentor sich wieder zu schließen, aber der MIB war davon nicht beunruhigt. Er hatte einen Auftrag auszuführen. Äußere Umstände spielten dabei keine Rolle. Nach wie vor wartete der MIB darauf, daß Lucifuge Rofocale sich persönlich zeigte, damit er dem Höllenfürsten das Amulett entreißen konnte. Wie er danach die Höllensphären wieder verlassen konnte, war ein anderes Problem, mit welchem er sich jetzt noch nicht zu befassen brauchte. Er war sich sicher, daß ihm der ERHABENE, sein Auftraggeber, entsprechende Informationen und Anweisungen eingespeichert hatte, die zu gegebener Zeit abrufbar waren. Der MIB, weder durch Standardkleidung noch durch Standardaussehen als solcher zu erkennen, brauchte sich auch nicht um den Mann zu kümmern, der vorhin durch den Zug geschritten war, ebensowenig wie um die beiden anderen Mitreisenden. Sie entsprachen nicht der Schablone des
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