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0493 - Todestanz der Nixe

0493 - Todestanz der Nixe

Titel: 0493 - Todestanz der Nixe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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gar nicht erst eintritt? Wenn Sie trotz allem nur noch diesen einen Tag gewartet hätten…«
    »Und den nächsten, und den übernächsten… verflixt, wenn Sie sich bei jemanden beschweren wollen, dann beim Junior oder beim Klabautermann, aber nicht bei mir, und auch nicht bei Porter, wenn’s geht. Wir haben die Beisetzung so lange wie möglich hinausgezögert. Wenn der Junior Sie zu spät in Marsch gesetzt hat, weil er Sie vielleicht zu spät erreichte, ist das doch nicht unsere Schuld.«
    Zamorra seufzte. »Sie haben ja recht, Scott. Aber was sollen wir dann noch hier? Selbst wenn wir uns in Taucheranzüge zwängen und absteigen, wo sollen wir den Sarg suchen?«
    »Beziehungsweise die Leinenhülle, in die er verpackt ist«, brummte Scott. »Mann, das ist doch wohl Ihr Problem, nicht meins. Ich bin für die Lebenden zuständig, nicht für die Toten.«
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Na schön. Der Junior vermutet, daß Magie im Spiel ist, aber das können wir jetzt nicht mehr feststellen. Was ist die offizielle Todesursache? Welchen Eindruck hatten sie, Scott? Carsten Möbius sagte, der Mann sei kerngesund gewesen.«
    »War er auch. Ein relativ junger Mann, 28 Jahre. Valeron Segrelle. War bei der Fremdenlegion, konnte aber, wie er sagte, sein künstlerisches Gemüt nicht so recht mit dem Drill vereinbaren, und im Golfkrieg gegen den Irak hat er nach eigenem Bekunden das große Kotzen gekriegt. Da hat er den Abschied genommen und bei uns als Aushilfe angeheuert. Wir brauchten gerade einen Mann. Besondere Talente hatte er nicht, außer seiner Malkunst. Natürlich hat Porter ihn das Schiff streichen lassen, nachdem er erfuhr, daß der Junge eine Hand für Pinsel hat. Wollen Sie mal sehen, was Segrelle gemalt hat? In seiner Kajüte sind ein paar Bilder. Eines davon hat er am Tag vor seinem Tod gemalt. Wurde erst eine halbe Stunde vorher fertig. Ich habe ihn noch nie mit einer solchen Besessenheit arbeiten gesehen. Gerade so, als hätte er gewußt, daß er sich beeilen müßte, wenn er es noch fertigbekommen wollte, ehe er starb. Komisch, nicht? Normalerweise saß er wochenlang an einem Bild, verbesserte hier, feilte dort. Bei diesem letzten Bild hat er nicht mal gewartet, bis die erste Farbschicht richtig trocken war, bevor er die zweite auftrug.«
    Man sah es dem Bild an. Die Konturen verschwammen ein wenig, Farben durchdrangen sich, wenn ihre schichten dünn genug waren. Das verfremdete die ohnehin seltsame Szenerie. Zamorra rückte die seit Segrelles Tod unberührte Staffelei etwas besser ins Kunstlicht der Kabine, die der Tote mit einem anderen Mitglied der Crew geteilt hatte. Segrelle’s Habseligkeiten befanden sich noch im Spind, den Nicole kurz geprüft hatte, ohne dabei auf Besonderheiten zu stoßen, die Rückschlüsse ermöglicht hätten.
    »Fantastisch«, murmelte der Professor. »Wenn diese Verfremdungen durch das Verlaufen der Farben nicht wären, könnte man es für eine Fotografie halten. Segrelle muß ein Genie gewesen sein. Das hier ist sein letztes Bild?«
    Scott nickte. La-Sin, der Malaye, der die Doppelkabine nach wie vor bewohnte, nickte ebenfalls. La-Sin kramte weitere Bilder hervor. Sie waren alle gerahmt. Eines zeigte einen Teil der ULYSSES, wie sie von Deck aus wirkte, ein anderes die ULYSSES vor der Freiheitsstatue von New York, andere Bilder gaben Eindrücke aus dem Krieg der USA und ihrer NATO-Verbündeten wieder, der gegen den Irak geführt worden war, um Kuwait von der einen Diktatur zu befreien und die andere wieder einzusetzen. Stilleben und Porträts gab es ebenfalls. Aber Valeron Segrelles letztes Bild paßte nicht in all diese Thematiken.
    Die anderen Bilder zeigten auf eine eigenartige, ausdrucksvolle Weise realistische Szenen und Gestalten, aber dieses Bild glitt ins Fantastische ab, wobei der für Segrelle typische Stil nicht abzuleugnen war.
    Zamorra glaubte ein Stück der Küste wiederzuerkennen, in deren Nähe die ULYSSES lag. Auf dem Wasser tanzt ein seltsames Fabelwesen. Eine Nixe, deren Unterkörper nicht als Fischleib, sondern als Schlangenkörper ausgebildet war.
    Zamorra glaubte die Bewegung der dunkelhaarigen Nixe förmlich zu sehen. Es war unglaublich, wie fotografisch exakt Segrelle dieses Bild geschaffen hatte. Fast, als handele es sich um eine Fotografie, eine kurzbelichtete Momentaufnahme.
    »He«, sagte Nicole und rüttelte an Zamorras Arm. »Schaffst du es auch noch mal, in die Wirklichkeit zurückzukommen?«
    Er zuckte zusammen. »Sie hat einen Namen«,

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