0494 - Als Köder in der Todesfalle
misstrauisch: »'Kannst du mir mal verraten, was dein kluges Köpfchen ausgebrütet hat?«
»Natürlich«, sagte Neville gönnerhaft. »Ich erzähle es extra für euch ganz, ganz langsam. Schließlich sollt ihr die Sache ja auch verstehen.«
»Zu gütig«, warf Phil bissig ein.
»Dieser Webster war doch ein Starkiller, oder?«
»Das haben selbst Jerry und ich schon bemerkt«, knurrte Phil sarkastisch. »Wenn bei deinen geistigen Turnübungen nicht mehr herausgesprungen ist, dann packe sofort wieder ein.«
»Sachte, sachte«, beschwichtigte ihn Neville. »Ihr glaubt zwar, ich gehörte zum alten Eisen, aber so weit ist es noch nicht. Wer weiß zum Beispiel, dass Webster tot ist?«
Einen Augenblick herrschte verblüffte Stille. »Na, wir«, sagte Phil dann.
»Richtig«, trumpfe Neville auf. »Die Gangster aber nicht.«
»Nanu, was soll denn das?«, fragte ich stirnrunzelnd. »Es ist doch egal, wer weiß, ob Webster tot ist oder nicht. Hauptsache, der Bursche ist unschädlich gemacht worden.«
»Eben nicht. Die Gangster haben zwar auf Webster geschossen, da er aber erst hier im Distriktgebäude zusammenbrach und starb, haben sie bestimmt keine Ahnung, ob der Killer auch tatsächlich gestorben ist.«
»Und welchen praktischen Nutzen hat diese Überlegung?«, fragte ich.
Neville wandte sich grinsend an Mr. High. »Im Krankenhaus rostet Jerrys Denkapparat immer ziemlich ein. Wir müssen ihn erst ganz langsam wieder flottkriegen.« Dann wandte er sich mit Gönnermiene an mich. »Wenn nun jemand von uns die Rolle dieses Webster übernähme, wenn wir einfach verschwiegen, dass er tot ist, Jerry, was meinst du, was dann passieren würde?«
Einen Augenblick schwieg ich. Nevilles Idee wies die verschiedensten Möglichkeiten und Aspekte auf. Möglichkeiten, die uns einen Schritt weiter jn unserem Kampf gegen die Cosa Nostra brachten, Aktionen, die der Unterwelt von New York einen schweren Schlag versetzten konnten.
Gleichzeitig dachte ich aber auch an den Entschluss, den ich heute gefasst hatte. Der Arzt hatte mich noch für vier Wochen krankgeschrieben. Diese vier Wochen hatte ich damit ausfüllen wollen, den Starkiller von New York zu jagen, ihn der Gerechtigkeit zu übergeben.
Und jetzt?
Jetzt dachte ich daran, die Rolle eines Mannes zu übernehmen, den ich zu seinen Lebzeiten so verabscheut hatte wie keinen zuvor. Mit dieser Erkenntnis kam mir auch zu Bewusstsein, dass mein Vorsatz, der mich in all den Wochen im Krankenhaus immer weiter vorwärtsgetrieben und immer wieder angestachelt hatte, hinfällig geworden war.
Es gab keinen Webster mehr, gegen den ich kämpfen konnte.
Ted-TerillsTad hatte seine Sühne gefunden. Webster war tot, ich konnte ihn nicht mehr einer Jury überantworten.
Für einen Augenblick fühlte ich mich ausgepumpt und leer. Die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, die mir die Tage im Krankenhaus erst hatte erträglich werden lassen, war sinnlos geworden.
Webster war erschossen worden. Er hatte nicht das Ende gefunden, das ein Mörder nach dem Gesetz nehmen muss. Irgendwie fühlte ich mich von seinen Mördern betrogen. Betrogen um die Möglichkeit, einen Mörder der Gerechtigkeit zu übergeben. Ich spürte mit einem Male den Wunsch, die Mörder eines Starkillers zu jagen.
»Und Webster selbst?«
Er war ein Mann gewesen, der Mordaufträge ausführte. Wenn ich seine Rolle übernahm, ergab es sich zwangsläufig, dass ich auch die Leute kennenlemte, die Mordaufträge in New York zu vergeben hatten.
Man sagte, Webster habe hauptsächlich für die Cosa Nostra gearbeitet. Wir wussten natürlich sehr genau, dass die Cosa Nostra in New York einen nicht unerheblichen Teil der Unterwelt kontrollierte. Aber wir hatten noch keine Ahnung, wer hinter dieser Verbrecherorganisation stand.
Vielleicht bot sich hier eine Chance, wenigstens einen kleinen Ansatzpunkt zu bekommen. Ich musste es einfach riskieren. Dass war ich Ted Terill schuldig. Ihm und meinen Kollegen, die bislang unter den Kugeln von Verbrechern den Tod gefunden hatten.
Ich dachte an die Inschrift auf unserer Dienstmarke und wusste mit einem Male sehr genau, was ich zu tun hatte.
»Fidelity - Bravery - Loyalitiy.«
Langsam wandte ich mich Neville zu. Ich blickte in sein ehrliches vernarbtes Gesicht und in seine klaren treuen Augen.
Ich dachte an all das, was ich von ihm gelernt hatte, und an das-Vertrauen, das er in all den Jahren immer wieder in mich gesetzt hatte.
»Okay, Neville«, sagte ich. »Stell dir einmal vor, ich wäre der
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