0494 - Fenrirs Wacht
Katalysatorbetrieb umgerüstet hat, bloß seit das zweite Kind praktisch vor der Tür steht, kann er sich das Geschoß auch nicht mehr leisten und hat es mir zurückverkauft. Und mir hat’s immer leidgetan, daß ich den Wagen damals überhaupt weggegeben hatte, um danach ein profanes BMW-Coupé zu fahren…«
»Von Patriotismus und dem Fahren französischer Autos halten wohl weder Zamorra noch du sonderlich viel, wie?« fragte Robin kopfschüttelnd.
»Solange französische Hersteller keine BMWs und Heckflossen-Cadillacs bauen: nein«, erwiderte sie immer noch lachend und ließ offen, wie ernst diese Bemerkung gemeint war.
Als sie den Toten sah, lachte sie nicht mehr. Er sollte gerade obduziert werden und befand sich bereits auf dem Seziertisch. Die beiden Pathologen waren nicht sehr erbaut davon, daß jemand in ihre Vorbereitungen platzte.
Nicole hatte Roland Pais gekannt, wie sie jeden aus dem Dorf kannte -vom Kleinkind bis zum Greis. Schließlich sah man sich häufig bei Mostache oder bei den Festveranstaltungen, die mal im Dorf und mal auch auf Château Montagne stattfanden.
»Würden Sie uns die Freundlichkeit erweisen, uns für ein paar Minuten mit dem Toten allein zu lassen,« bat Robin die beiden Mediziner. Einer protestierte. Er befürchtete wohl, daß etwas an der Leiche verändert werden könnte, das später die Ergebnisse der Obduktion verfälschte. »Also schön, bleiben Sie eben hier, aber wundern Sie sich anschließend über gar nichts!«
Natürlich wunderten sie sich trotzdem.
Nicole Duval nahm das Amulett zur Hand, die handtellergroße Silberscheibe mit den rätselhaften Verzierungen, deren Symbolgehalt bis heute noch nicht eindeutig hatte erkannt werden können. Sie aktivierte Merlins Stern mit einem konzentrierten Gedankenbefehl und ließ das Amulett über den Leichnam gleiten.
»Was willst du herausfinden?« erkundigte Robin sich leise.
»Ob Roland so harmlos ist, wie Zamorra angedeutet hat, oder ob er von dem Wolfsbiß einen Keim verpaßt bekommen hat, der ihn selbst zum untoten Ungeheuer macht.«
In ihrer Hand erwärmte Merlins Stern sich kaum merklich, aber es reichte schon. Nicole nickte Robin zu. Sie verließen den Obduktionsraum wieder. Draußen auf dem Korridor erklärte Nicole: »Pierre, Roland ist zu einem Werwolf gemacht worden! Sobald es dunkel wird, und das dauert ja nicht mehr lange, wird er sich erheben, sich auch äußerlich in eine Bestie verwandeln und auf Menschenjagd gehen. Der Wolf, der ihn in der letzten Nacht überfiel und tötete, hat den Keim auf ihn übertragen. Einen ganzen Tag lang hatte dieser Keim Gelegenheit, sich über den gesamten Körper zu verteilen.«
»Aber der Kreislauf arbeitete doch nicht mehr! Bei Herzstillstand wird kein Blut mehr durch die Adern gepumpt. Es läuft nur noch so aus der Wunde.«
»Auf die Ausbreitung schwarzmagischer Verwandlungskeime hat das keinen Einfluß. Die gehen andere Wege, Pierre. Ich fahre zum Château zurück, hole die Pistole mit den geweihten Silberkugeln und jage Roland eine oder zwei davon in Herz und Kopf. Nur so ist gewährleistet, daß er sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht wieder erhebt und über die Menschen herfällt, um sie als reißende Bestie zu morden!«
Robin sah sie an wie einen Geist.
»Nicole… weißt du eigentlich, was du da redest? Die Furie war ja schon starker Tobak, und ich mußte ihre Existenz schließlich akzeptieren, aber das hier… das klingt mir doch zu sehr nach den alten Dracula-Filmen. Vampir beißt hübsche Jungfrau in den Hals, die dadurch auch zum Vampir wird, und der edle Konrad van Helsing kommt mit dem Holzpflock und dem Hämmerchen, um die Welt vor solch garstigen Scheusalen zu retten…«
»Vampire und Werwölfe sind sich sehr ähnlich«, erklärte Nicole. »Manche Vampire sind in der Lage, Wolfsgestalt anzunehmen. Aber während die einen nur von geweihten Eichenpflöcken oder grellem Sonnenlicht erlöst werden können, muß es bei den anderen geweihtes Silber sein. Pierre, einen Werwolf erlegst du nicht mit normaler Munition.«
»Das ist doch Aberglaube! Folkloristische Spinnerei, die sich früher die alten Frauen am Spinnrad zugeraunt haben…«
»Trotzdem, Pierre. Akzeptiere es, laß uns Roland erlösen. Tot ist er doch ohnehin schon, da spielt es keine Rolle mehr, ob er noch eine Kugel bekommt oder nicht.«
Robin winkte ab. »Ich glaube nicht, daß der Mann sich noch einmal wieder aus eigener Kraft erhebt. Auch als Werwolf nicht. In den nächsten Minuten wird er
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