0494 - Fenrirs Wacht
Nachwirkungen der Narkose zu leiden haben, sowie unter der Wirkung der Beruhigungs- und Schmerzmittel, die wir ihm über den Tropf verabreichen. Und Sie kommen daher und wollen mir erzählen, er könnte zirkusreife Kraftakte vollbringen?«
»Trotzdem müssen wir auf dieser Sicherungsmaßnahme bestehen«, sagte Robin. »Wir haben dafür gute Gründe.«
»Ich höre«, sagte der Arzt.
Robin wechselte einen Blick mit Nicole, die die Augen verdrehte. »Der Mann ist, als er verletzt wurde, mit einer Substanz in Berührung gekommen, die jetzt in seinem Blut kreist und die ihn zu einer Art Berserker machen wird, ungeachtet seines geschwächten Zustandes.«
»Was soll das denn für eine Substanz sein?« fragte der Arzt mißtrauisch.
»Hören Sie, wenn Sie mehr über diesen Fall wissen, sollten Sie es mir im Interesse des Patienten mitteilen. Wenn nicht, muß ich annehmen, daß Sie nicht so ganz genau wissen, was Sie da eigentlich von sich geben.«
»Verdammt, tun Sie, was ich Ihnen sage!« entfuhr es Robin. »Oder Sie sind später für das verantwortlich, was passiert. Himmel, wem kann es denn schaden, wenn Sie den Mann vorübergehend etwas sorgfältiger festbinden?«
»Da ist doch was faul«, murmelte der Chirurg. »Überhaupt, die Art der Verletzung. Das deutet auf ein Raubtier hin. Komische Sache. Zwei Pathologen sollen einen Leichnam obduzieren. Plötzlich ist die Hölle los, der eine Mann steht unter Schock und ist nicht ansprechbar, der andere schwer verletzt. Und jetzt eine angebliche Infektion… ich denke, ich werde mal eine Blutanalyse vornehmen.«
»Tun Sie das«, empfahl Nicole. »In der Zwischenzeit sollten Sie aber trotzdem dafür sorgen, daß der Mann nicht zu toben beginnt.«
Sie entfernte sich. Robin folgte ihr. In der Tür zum Treppenhaus mit den Fahrstühlen wandte Nicole sich noch einmal um. »Sie sollten es wirklich tun«, empfahl sie. »Es könnte sonst sein, daß Sie fortan Ihres Lebens nicht mehr froh werden und sich bis ans Ende Ihrer Tage Vorwürfe machen müssen.«
Der Arzt schüttelte langsam den Kopf. »Sie sollten mit der Sprache ’rausrücken«, verlangte er halblaut.
»Geheimsache«, erwiderte Robin, der nicht ausgelacht werden wollte, weil er dem Mediziner mit einer Werwolfgeschichte kam. Sonderlich wohl fühlte er sich dabei nicht in seiner Haut.
Die Glastür glitt hinter ihnen zu.
»Wo ist eigentlich der Tote geblieben, den die beiden Pathologen obduzieren sollten?« rief der Chirurg ihnen nach.
***
»Verdammt«, murmelte Robin, als er in der Cafeteria zwei Pappbecher mit Automatenkaffee vor Nicole auf den kleinen Rundtisch stellte. »Du bist sicher, daß er infiziert ist?«
»Ja. Das Amulett hat eindeutig reagiert. Das bedeutet, daß der Verletzte über kurz oder lang ebenfalls zum Werwolf wird, und das bedeutet auch, daß Roland zu einer riesengroßen Gefahr geworden ist. Es dämmert schon stark, seine endgültige Verwandlung dürfte jeden Moment einsetzen, und dann ist das Unheil nicht mehr aufzuhalten. Pierre - ich brauche Silberkugeln. Nur damit läßt Ronald sich noch stoppen.«
»Und der Medizinmann in der Intensivstation? Müssen wir dem auch eine Silberkugel ins Herz jagen? Himmel, Nicole, das läßt sich doch üles überhaupt nicht verwirklichen, und ich traue dem Chirurgen auch nicht zu, daß er auf uns hört und den Mann tatsächlich sauber festschnallen läßt.«
»Ich hoffe, daß es in der ersten Nacht noch nicht zum Schlimmsten kommt. Vielleicht ist er wirklich noch körperlich zu geschwächt, um sich überhaupt aufrichten zu können. Vielleicht braucht auch der Keim eine gewisse Zeit, bis er ins aktive Stadium tritt -Inkubationszeit nennt man das ja wohl. Bei Roland wird es auch nicht sofort gewirkt haben, denn sonst wäre er noch in der letzten Nacht aufgestanden und als Werwolf davongelaufen.«
Robin umklammerte seinen Pappbecher, als wolle er ihn zerdrücken. »Nicole, sag mir die Wahrheit. Gibt es diesen Keim wirklich? Ist er tatsächlich so schlimm? Oder habe ich mich eben bei der Diskussion mit dem Chirurgen dermaßen aufs Glatteis begeben, daß ich in Zukunft nicht mal mehr in den Spiegel schauen kann, ohne daß der mich auslacht?«
»Lykanthropie ist ein bekanntes Phänomen…«
»Sicher, Nicole, nur ist es mir als eine Krankheit bekannt, die lediglich zu überstarkem, fellartigen Haarwuchs führt. Vermutlich ein genetischer Defekt, der alle hundert Jahre mal bei einem Menschen auftritt. Fotos von solchen armen Teufeln habe ich schon
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