0494 - Hexen-Polterabend
Suko die gleiche Idee gehabt wie ich. Er kurbelte am Lenkrad und ließ den Rover auf das Gelände der Tankstelle rollen.
Er und Stern blieben im Wagen sitzen. Ich stieg aus. Der Tankwart hatte uns längst gesehen, kam nicht aus seiner Bude und öffnete eine Klappe im Fenster.
»Geschlossen, Mister!«
»Ich weiß.«
»Dann verschwinden Sie.«
»Warum so unfreundlich?« fragte ich und hielt meinen Ausweis gegen das Glas. Die Klappe war wieder zugefallen.
Der Tankwart las, nickte und schloß die Tür auf. Er kam selbst nach draußen.
»Ich wußte nicht, daß Sie von der Polizei sind, Mister. Wenn Sie Benzin brauchen, werde ich Ihnen natürlich helfen.«
»Das brauchen wir nicht. Es geht mir vielmehr um eine Auskunft.«
Der Mann trug einen fleckigen Overall und roch nach Altöl. »Ja, fragen Sie?«
»Es geht um den Bluthügel. Haben Sie davon schon gehört?«
Er schaute mich an, grinste dabei und schüttelte den Kopf. »Ja, aber wieso?«
»Wir müssen dorthin, nehmen an, daß er sich im Bishops Wood befindet, sind uns aber nicht sicher.«
»Da haben Sie sich nicht geirrt.«
Die Neugierde stand in seinen Augen zu lesen, doch er stellte keine Fragen nach dem Grund unseres Besuchs. »Natürlich, wenn Sie wollen. Es führt nur eine Straße durch den Wald, und die nur am Rand entlang. Sie werden, wenn Sie die Straße nehmen, irgendwann auf einen Parkplatz treffen. Dort können Sie Ihren Wagen stehenlassen. Wenn Sie in nördliche Richtung laufen, gelangen Sie zum Bluthügel. Den können Sie nicht übersehen. Er ist die höchste Erhebung und liegt auch ziemlich frei. Dort wachsen keine Bäume, nur Büsche.«
»Danke.«
»Aber seien Sie vorsichtig«, riet mir der Tankwart noch. »Der Bluthügel hat eine böse Geschichte. Schließlich gab man ihm nicht umsonst diesen Namen.«
»Ach, welche denn?«
»Das ist doch klar. Dort hat man vor langen Jahren unliebsame Personen hingerichtet. Hexen und so. Ihr Blut hat den Boden getränkt. Deshalb der Name Bluthügel.«
»Ich bedanke mich, Mister. Wenn Sie mir jetzt noch den Weg etwas genauer beschreiben würden?«
Das tat er auch. Ich erfuhr, daß wir wieder ein Stück zurückfahren mußten, um auf die Straße zu gelangen, die in den Wald hineinführte, sich aber nur an der südlichen Grenze entlangzog.
Zehn Sekunden später starteten wir, begleitet von den Blicken des Tankwarts, der sich jetzt sicherlich seine Gedanken machte.
Suko hatte mitgehört. Ich brauchte ihm nichts mehr zu sagen. Als wir die breite Straße verließen, hatten wir den Eindruck, in eine andere Welt zu fahren.
Sie war düster, bestand aus Schatten, die von den wuchtigen, dicht belaubten Bäumen geworfen wurden und sich mit der Dunkelheit des späten Abends vermischten.
Licht gab es nicht, bis auf unsere Scheinwerfer, die einen weißen Mantel auf die Straße warfen, der an seinen Rändern über die Stämme der am Wegrand stehenden Bäume huschte oder versuchte, lautlos in das Unterholz einzudringen.
Auch unser unfreiwilliger Gast meldete sich wieder. »Ja, hier sind wir richtig. Den Weg kenne ich.«
»Wann sind Sie ihn zum letztenmal gefahren?« fragte ich.
»Das ist lange her. Vor der Weihe.«
»Als Sie auf den Teufel schworen?«
»So ungefähr.« Er gab die Antwort leise, als würde er sich schämen, daß es nur die Kraft des Satans oder dessen Dieners gewesen war, die diesen Anwalt so vermögend gemacht hatte.
Suko entdeckte den Platz zuerst. Ein Schild wies ihn als Parkplatz aus. Man hatte sich Mühe gegeben und aus Holzstämmen angefertigte Sitzgelegenheiten aufgestellt. Daneben ließ Suko den Wagen ausrollen.
Außer uns stand kein zweites Fahrzeug mehr auf dem Platz. Der Lichtteppich sank zusammen. Ich war als erster draußen, öffnete von außen die Beifahrertür und schloß die Fessel auf.
»Aussteigen, Stern!«
Der Anwalt blieb noch sitzen und rieb sein Gelenk. Es zeigte einen roten Streifen.
Als er sich endlich bequemte, den Wagen zu verlassen, war Suko ebenfalls schon ausgestiegen und hatte die Tür geschlossen. Wir blieben in der Dunkelheit stehen und lauschten in die Tiefe des Waldes hinein, der rechts von uns begann.
Kein fremder Laut durchschnitt die nächtliche Ruhe. Es war nicht völlig still, Geräusche vernahmen wir immer. Hier und da ein Knacken, ein leises Rascheln aus dem Unterholz und Laute die sich anhörten, als wären Personen dabei, sich gegenseitig etwas zuzuflüstern.
Ich ließ Jerry Stern nicht aus den Augen. Der Mann sah nicht mehr so smart aus. Selbst
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