0498 - Die Totentänzerin
wer sind Sie?«
Durch die Nase holte er Luft. Dabei entstand ein schnaufendes Geräusch. »Sie können Charles zu mir sagen.«
Ich dachte nach, und mir fiel auch der zweite Name ein. Wahrscheinlich hieß er Everett. Das sagte ich ihm ins Gesicht.
»Sie kennen sich aus, Mister.«
»Leider nicht gut genug.« Ich ging einen Schritt auf ihn zu. »Und ich möchte wissen, was hier gespielt wird.«
»Das haben Sie doch gesehen. Den Menschen hier geht es gut. Sie schöpfen die Kraft aus den Kristallen.« Er räusperte sich. »Die alten Werte sind wieder auferstanden. Was uns das hohe Mittelalter mit auf den Weg gegeben hat, davon profitieren wir auch in dieser Zeit. Im Gegensatz zu Parzival haben unsere Mitglieder ihren Gral bereits gefunden und sind damit glücklich geworden. Wir nennen dies Crystal Power, Kristall-Kraft. Es ist etwas Wunderbares, denn die Kraft beflügelt den Geist des Menschen. In der Reinheit und der Klarheit des Quarzes sehen wir ein Symbol des Lichts für die Menschheit.«
»Sie wollen also die Welt verändern.«
»Wenn Sie das in meinem Sinne sehen, will ich nicht widersprechen. Wir sind der Teil einer gewaltigen Erneuerungsbewegung, die grenzüberschreitend ist. Wir kennen weder politische noch Rassenschranken. Amerikanische Crystal people verschicken Kristalle an Bekannte in der Sowjetunion. Sie wollen durch die Geste helfen, das gegenseitige Mißtrauen abzubauen. Die Umweltschützer vergraben sie in der Erde. Bei uns spielt es keine Rolle, wer man ist und wieviel Geld man verdient. Unsere Mitglieder stammen aus allen Schichten der Bevölkerung. Uns verbindet die Kraft der Kristalle, die wir auch als den kosmischen Kitt ansehen, der Getrenntes wieder zusammenfügt.«
Ich nickte Charles zu. »Es hört sich gut an«, sagte ich. »Hohe, hehre Ziele, aber irgendwo gibt es dabei immer eine Schattenseite.«
»Die Schattenseite sind Menschen wie Sie, die hier eindringen und unsere Aura zerstören wollen.«
»Ich wollte nichts zerstören. Mr. Everett.«
»Sie zeigen sich informiert.«
»Natürlich, es gehört zu meinem Job.«
Er überlegte keine Sekunde. »Sie sind wahrscheinlich Polizist.«
»So ist es. Mein Name ist John Sinclair. Der Mann am Boden heißt Suko.«
»Ich habe von Ihnen gehört.«
»Möglicherweise durch Sir James?«
»So ist es.«
»Dann wissen Sie auch, daß wir nicht vorhaben, hier zu stehlen oder zu plündern.«
»Was führt Sie dann her?«
Ich deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die drei tanzenden Mädchen. »Sie allein sind der Grund. Das Schicksal meines Freundes beweist mir, daß mit den Tänzerinnen etwas nicht stimmt. Falle ich auch bewußtlos um und erstarre, wenn ich sie berühre?«
Charles Everett hob die Schultern. »Ich würde es nicht auf einen Versuch ankommen lassen.«
»Wer sind die drei?«
»Sie sehen es doch, Mr. Sinclair. Tänzerinnen.«
»Ja, das schon. Ich habe mich auch über ihre Kleidung gewundert. Sie ist sehr ungewöhnlich.«
»Da gebe ich Ihnen recht. Aber auch nicht so ungewöhnlich, wie Sie meinen. Diese Kleidung ist im alten Ägypten getragen worden. Damals waren die Tempeltänzerinnen sehr begehrte Frauen. Sie tanzten zu Festen, zu Feiern, aber auch zu Begräbnissen. Und diese drei haben eben überlebt, wenn ich das mal so locker sagen darf.«
»Dann sind sie einige tausend Jahre alt?«
»So ist es.« Er schaute mich genau an. Wahrscheinlich hatte er von mir eine größere Phase der Überraschung erwartet, aber ich blieb ziemlich gelassen.
»Wie kam es, daß sie überlebten?«
»Können Sie sich das nicht denken?«
»Magie?«
»Sie sind fast auf dem richtigen Weg, Mr. Sinclair. Da ist aber noch etwas anderes. Die Macht und die Kraft der Kristalle. Es waren die alten Ägypter, die sie zuerst kannten, die von ihr profitierten und sie für ihre Zwecke einsetzten. Wir bedienen uns nur ihres Wissens. Es sind friedliche Menschen, doch wehe dem, der nicht zu uns gehört und sie einfach anfaßt. Dem kann es ergehen wie ihrem Freund.«
Ich hatte die Antwort vernommen, dachte aber gleichzeitig in eine andere Richtung. »Wenn die Tänzerinnen tatsächlich überlebt haben sollten, dann müßten sie etwas Ähnliches wie das ewige Leben besitzen - oder nicht?«
»So ist es.«
»Und die Kraft der Kristalle gibt ihnen das?«
»Ja, die kosmische Macht. Sie ist etwas Besonderes, etwas nicht Faßbares, man muß sie hinnehmen, man muß mit ihr leben. Wir versuchen dies. Auch auf uns soll ihre Kraft übergehen…«
»Haben sie das
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