Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
»Letztendlich.«

13
    »Barbara? Kind? Bist du schon im Bett? Ich will dich nicht stören, wenn du schon schläfst. Du brauchst deinen Schlaf, das weiß ich. Aber wenn du noch aufbist, könnten wir doch mal über Weihnachten reden. Es ist natürlich noch früh, aber man sollte sich jetzt schon Gedanken machen - über die Geschenke, und welche Einladungen man annehmen soll, und welche man besser ablehnt.«
    Barbara schloß einen Moment die Augen, als könnte sie so die Stimme ihrer Mutter ausblenden. Sie stand in ihrem dunklen Schlafzimmer am Fenster und sah in den Garten hinunter. Auf dem Zaun, der das Grundstück zu Mrs. Gustafson hin trennte, hockte eine Katze, ihre Aufmerksamkeit unverwandt auf das dichte Unkraut gerichtet, das wuchs, wo früher einmal ein schmaler Rasenzipfel gewesen war. Vermutlich lauerte sie einer Maus oder Ratte auf. Im Garten wimmelte es bestimmt von diesen Biestern. Fröhliches Jagen, wünschte Barbara ihr im stillen.
    »Herzchen?«
    Barbara hörte ihre Mutter durch den Flur schlurfen. Sie hörte abwechselnd das Schleifen und Klatschen der Sohlen ihrer Pantoffeln auf dem kahlen Fußboden. Sie wußte, sie hätte sich melden sollen, aber sie tat es nicht. Vielmehr hoffte sie inbrünstig, die sprunghafte Aufmerksamkeit ihrer Mutter würde sich etwas anderem zuwenden, Tonys früherem Zimmer vielleicht, in das sie immer noch hineinzugehen pflegte, um mit ihrem Sohn zu sprechen, als wäre er noch am Leben und nicht seit sechzehn Jahren auf dem Friedhof von South Ealing begraben, wo jetzt auch ihr Mann lag.
    Fünf Minuten, dachte Barbara. Nur fünf Minuten Frieden.
    Als sie vor einigen Stunden nach Hause gekommen war, hatte sie Mrs. Gustafson auf einem Küchenstuhl sitzend am Fuß der Treppe vorgefunden. Ihre Mutter war oben in ihrem Schlafzimmer gewesen, verwirrt und ängstlich auf der Kante ihres Betts kauernd. Mrs. Gustafson war sonderbarerweise mit dem Schlauch des Staubsaugers bewaffnet gewesen, und ihre Mutter hatte wie ein Häufchen Elend in der Dunkelheit gehockt, nicht einmal mehr fähig, sich zu erinnern, wie man Licht machte.
    »Wir sind ein bißchen zusammengestoßen. Sie wollte dauernd zu Ihrem Vater«, sagte Mrs. Gustafson, als Barbara zu Tür hereingekommen war. Ihre graue Perücke saß schief, so daß die grauen Locken auf der einen Seite viel weiter herabhingen als auf der anderen. »Sie ist im ganzen Haus rumgelaufen und hat nach ihrem Jimmy gerufen. Dann wollte sie raus auf die Straße.«
    Barbaras Blick fiel auf den Staubsaugerschlauch.
    »Ich habe sie nicht geschlagen, Barbie«, versicherte Mrs.
    Gustafson.» Sie wissen doch, daß ich Ihre Mutter nicht schlagen würde.« Ihre Finger krümmten sich um den Schlauch. »Das ist eine Schlange«, erklärte sie in vertraulichem Ton. »Sie folgt wie ne Eins, wenn sie die sieht, Kind. Ich brauch nur ein bißchen damit zu wedeln. Mehr ist gar nicht nötig.«
    Barbara war so entsetzt, daß ihr einen Moment lang die Worte fehlten. Sie fühlte sich zwischen zwei Notwendigkeiten hin- und hergerissen. Einerseits wären jetzt Worte und Taten fällig gewesen, um die alte Frau, die ihre Mutter terrorisierte, statt sie zu behüten, für ihre Dummheit zu strafen. Aber weit wichtiger war, Mrs. Gustafson bei Laune zu halten.
    »Ich weiß, es ist schwierig, wenn sie wirr ist. Aber wenn Sie ihr angst machen, glauben Sie nicht, daß es dann noch schlimmer wird?« sagte sie darum nur und verachtete sich für den einsichtigen Ton, den sie anschlug, und das Flehen um Verständnis und Hilfe, das in ihm mitschwang.
    »Doch, doch, es war ganz schön schlimm«, bestätigte Mrs. Gustafson. »Drum hab ich Sie ja angerufen, Barbie. Ich hab gedacht, nun hat sie das bißchen Grips, das sie noch hatte, auch noch verloren. Aber jetzt ist sie wieder ganz in Ordnung, stimmt's? Sagt keinen Piep mehr. Sie hätten in Cambridge bleiben sollen.«
    »Aber Sie haben doch extra angerufen, damit ich komme.«
    »Ja, das stimmt. Ich hab 'n bißchen Panik gekriegt, als sie dauernd ihren Jimmy gesucht hat und ihren Tee nicht trinken wollte und nicht mal das schöne Eibrot gegessen hat, das ich ihr gemacht hab. Aber jetzt geht's ihr gut. Gehen Sie nur rauf. Schauen Sie nach ihr. Vielleicht ist sie sogar eingeschlafen. Hat sich in den Schlaf geweint wie ein kleines Kind.«
    Das verriet Barbara einiges darüber, wie die letzten Stunden vor ihrem Eintreffen verlaufen waren. Als sie zu ihrer auf der Bettkante kauernden Mutter ging, sah sie, daß ihr die Brille von der Nase gerutscht

Weitere Kostenlose Bücher