05 - Denn bitter ist der Tod
erinnern, daß du den Teller nach der Köchin geworfen hättest.«
»In letzter Zeit jedenfalls nicht.«
»Wir haben noch etwas Hühnersalat da. Und ein bißchen Schinken.«
»Nein, danke. Ich bin nicht hungrig.« Sie standen beim offenen Kamin neben einem offenen Karton mit Spielsachen. Schatten der Müdigkeit lagen unter ihren Augen. Er wollte sagen, komm mit mir, Helen, bleibe bei mir. Statt dessen sagte er: »Ich möchte gern mit Pen sprechen.«
Helen sah ihn groß an. »Mit Pen?«
»Ja. Es ist sehr wichtig. Ist sie wach?«
»Ich glaube schon, ja. Aber...« Sie blickte zur Tür und zur Treppe dahinter... »ich weiß nicht, Tommy. Sie hat einen schlechten Tag gehabt. Die Kinder, Krach mit Harry.«
»Er ist nicht zu Hause?«
»Nein. Wieder mal nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist hoffnungslos. Ich weiß nicht, wie ich ihr helfen soll. Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll. Sie hat ein Kind, das sie nicht haben will. Sie hat ein Leben, das sie nicht aushalten kann. Sie hat Kinder, die sie brauchen, und einen Mann, der sie dafür straft, daß sie ihn bestraft hat. Und mein Leben ist so leicht im Vergleich zu ihrem. Alles, was ich ihr sage, klingt völlig banal und nutzlos.«
»Sag ihr einfach, daß du sie liebst.«
»Liebe ist nicht genug. Das weißt du.«
»Die Liebe ist das einzige, was zählt. Es ist das einzig Reale.«
»Das ist mir zu simpel.«
»Wieso? Wenn die Liebe so simpel und leicht zu haben wäre, dann wären wir doch nicht in diesem Dilemma. Dann brauchten wir uns nicht danach zu sehnen, unser Leben und unsere Träume der Obhut eines anderen Menschen anzuvertrauen. Wir würden uns nicht blind einem anderen anvertrauen, sondern unter allen Umständen die Kontrolle über uns selbst bewahren. Denn wenn wir die Kontrolle verlieren, Helen, nur einen Augenblick, dann fallen wir ins Leere, das wir nicht kennen.«
»Als Pen und Harry geheiratet haben -«
»Es geht doch gar nicht um sie!« unterbrach er. »Das weißt du genau.«
Sie starrten einander an. Der Raum zwischen ihnen schien immer noch eine tiefe Kluft zu sein. Dennoch versuchte er, die Kluft mit Worten zu überwinden. »Ich liebe dich«, sagte er, alle Vorsicht und allen Stolz in den Wind schlagend. »Und ich habe das Gefühl zu sterben.«
In ihren Augen schienen Tränen zu glänzen, aber ihr Körper war starr. Er wußte, daß sie nicht weinen würde.
»Hab doch keine Angst«, sagte er. »Bitte.«
Sie antwortete nicht. Aber sie floh auch nicht vor ihm. Und das machte ihm Hoffnung.
»Warum?« fragte er. »Willst du mir nicht das wenigstens sagen.«
»Es ist doch gut so, wie es zwischen uns ist.« Ihre Stimme war leise. »Warum kannst du dich nicht damit zufriedengeben.«
»Weil es nicht ausreicht, Helen. Es geht hier doch nicht um Freundschaft. Wir sind keine Kameraden.«
»Aber das waren wir einmal.«
»Ja, das waren wir einmal. Aber es gibt kein Zurück dahin. Jedenfalls für mich nicht. Und ich habe es weiß Gott versucht. Ich liebe dich. Ich begehre dich.«
Sie schluckte und wischte sich hastig eine Träne aus dem Auge. »Es tut mir leid«, sagte sie.
Er sah von ihr weg. Auf dem Kaminsims stand eine Fotografie ihrer Schwester mit ihrer Familie. Mann und Frau und zwei Kinder, der Sinn des Lebens klar definiert.
»Trotzdem muß ich Pen sprechen«, sagte er.
Sie nickte. »Ich hole sie.«
Als sie aus dem Zimmer gegangen war, trat er ans Fenster. Die Vorhänge waren zugezogen. Es gab nichts zu sehen. Er starrte auf das Blumenmuster. Geh, sagte er sich. Geh fort. Mach einen Schnitt. Mach ein Ende. Für immer.
Aber das konnte er nicht. Er konnte nicht einfach gehen und vergessen. Er sehnte sich nach Gemeinsamkeit und Bindung. Er sehnte sich nach Helen.
Er hörte sie draußen auf der Treppe - gedämpfte Stimmen, langsame Schritte - und wandte sich wieder der Tür zu. Er hatte Helens Worten entnommen, daß es ihrer Schwester nicht gutging, dennoch erschrak er bei ihrem Anblick. Seine Miene, das wußte er, war beherrscht, als sie eintrat, aber seine Augen verrieten ihn anscheinend. Penelope lächelte blaß, wie in Antwort auf eine unausgesprochene Bemerkung, und fuhr sich mit einer Hand durch das glanzlose, strähnige Haar. »Du hast mich nicht gerade in meinem besten Moment erwischt«, sagte sie.
»Danke, daß du trotzdem heruntergekommen bist.«
Wieder das blasse Lächeln. Langsam ging sie mit Helen an ihrer Seite durchs Zimmer. Sie setzte sich in einen Schaukelstuhl und zog den Morgenrock enger um
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