05 - Denn bitter ist der Tod
ich nur sagen, daß ich endlich verstehe, welche Last einer Frau damit auferlegt wird, Helen. Mir ist klar, daß diese Last für eine Frau, auch wenn sie zwischen den Partnern geteilt oder von ihnen gemeinsam getragen wird, immer die schwerere ist. Ja, das weiß ich jetzt. Aber ich wünsche mir das alles dennoch.«
»Das kannst du mit jeder Frau haben.«
»Ich möchte es aber mit dir.«
»Du brauchst mich nicht dafür.«
»Ich brauche dich nicht?« Er versuchte, ihre Gesichtszüge zu erkennen, aber sie waren nur ein blasser Schimmer in der Dunkelheit unter dem ausladenden Baum, der seinen Schatten über die Terrassenbank warf. Ein merkwürdiges Wort, dachte er und dachte an ihren Entschluß, bei ihrer Schwester in Cambridge zu bleiben. Er dachte an die vierzehn Jahre ihrer Freundschaft. Und endlich begriff er.
Er setzte sich auf der Mauer nieder. Er sah Helen an. Von der Fußgängerbrücke, die sich über dem Fluß wölbte, hörte er gedämpft die Geräusche eines vorbeifahrenden Fahrrads.
Wie hatte er eine so tiefe Liebe zu ihr fassen und sie gleichzeitig so wenig kennen können? Nie hatte sie zu verschleiern versucht, wer oder was sie war. Und doch hatte er sie mit Eigenschaften ausgestattet, die er sich an ihr wünschte, obwohl ihr Umgang mit anderen Menschen deutlich gezeigt hatte, was sie als ihre Rolle und Bestimmung sah. Er konnte nicht glauben, daß er ein solcher Narr gewesen war.
»Du willst mich nicht heiraten, Helen«, sagte er, »weil ich dich nicht brauche, jedenfalls nicht so, wie du es gern hättest. Du bist zu dem Schluß gekommen, daß ich dich nicht brauche, um stehen zu können, um mein Leben gestalten, um mich ganz fühlen zu können. Und das stimmt, Helen. Auf diese Weise brauche ich dich nicht.«
»Na bitte, da siehst du's«, sagte sie.
Er hörte die Endgültigkeit in ihrem Ton und wurde ärgerlich. »Ich sehe es. Ja. Ich sehe, daß ich nicht eines von deinen Projekten bin. Ich sehe, daß ich dich nicht brauche, um mich von dir retten zu lassen. Mein Leben ist einigermaßen geordnet, und ich möchte es mit dir teilen. In Partnerschaftlichkeit. Nicht als emotionaler Krüppel, der sich auf dich stützen muß, sondern als ein Mann, der mit dir zusammen wachsen möchte. So ist das. Es ist etwas anderes als das, was du gewöhnt bist, was du dir für dich vorgestellt hast, aber es ist das Beste, was ich zu bieten habe. Das ist meine Liebe. Und glaub mir, ich liebe dich.«
»Liebe ist nicht genug.«
»Herrgott noch mal, Helen, wann wirst du endlich begreifen, daß sie das einzige ist.«
Lynley sprang von der Mauer und ging zu ihr. »Du glaubst«, sagte er, ruhig jetzt, da er sah, wie sie begann, sich vor ihm zurückzuziehen, »ich werde niemals daran denken, dich zu verlassen, wenn ich dich nur dringend genug brauche. Du wirst dann nie etwas zu fürchten haben. So ist es doch, nicht wahr?«
Sie wandte sich ab. Behutsam griff er ihr ans Kinn und drehte ihren Kopf zu sich herum.
»Helen! Ist es nicht so?«
»Du bist nicht fair.«
»Du liebst mich, Helen.«
»Nicht! Bitte.«
» Du liebst mich ebensosehr, wie ich dich liebe. Du begehrst mich, du sehnst dich nach mir wie ich mich nach dir. Aber ich bin nicht wie die anderen Männer, mit denen du bisher zu tun hattest. Ich brauche dich nicht auf die Art, die es für dich ungefährlich macht, mich zu lieben. Ich bin nicht von dir abhängig. Ich kann allein stehen. Wenn du dich mit mir zusammentust, wagst du den Sprung ins Leere. Du riskierst alles, ohne die geringste Rückversicherung.«
Er spürte, daß sie zitterte.
»Helen.« Er zog sie in seine Arme. »Helen, Liebste«, flüsterte er und strich ihr über das dunkle Haar. Als sie aufblickte, küßte er sie. Ihre Arme umfingen ihn. Ihre Lippen wurden weich und öffneten sich ihm. Sie roch nach Parfüm und dem Rauch von Heringtons Zigaretten.
»Verstehst du das?« flüsterte sie.
Statt einer Antwort küßte er sie wieder und überließ sich den Empfindungen, die diesen Kuß begleiteten: der Wärme und Weichheit ihrer Lippen und ihrer Zunge, dem leichten Geräusch ihres Atems, dem süßen Duft ihres Körpers. Leidenschaft und Begierde erhitzten ihn und löschten langsam alles andere aus. Er mußte sie haben. Jetzt. Heute nacht. Er war nicht bereit, auch nur eine Stunde länger zu warten. Er würde mit ihr schlafen, und zum Teufel mit den Konsequenzen. Er wollte von ihr kosten, er wollte sie berühren und sie ganz kennen. Er wollte sie besitzen. Er wollte ihr Stöhnen und den Aufschrei
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