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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ihrer Lust hören, wenn er in sie eindrang und - Abrupt ließ er sie los. »Mein Gott!« flüsterte er.
    Er spürte, wie sie seine Wange berührte. Ihre Finger waren so kühl in seinem brennenden Gesicht.
    Bis ins tiefste aufgewühlt, stand er auf. Er sagte: »Ich sollte dich jetzt besser nach Hause bringen.«
    »Was ist denn?« fragte sie.
    Wie billig es war, sich aus hochmütiger intellektueller Distanz selbst zu bezichtigen und mit Victor Herington zu vergleichen, zumal wenn er ziemlich sicher sein konnte, daß sie ihm versichern würde, er sei nicht so wie andere Männer. Weit schwieriger war es, unvoreingenommen hinzuschauen, wenn das eigene Verhalten - die eigenen Begierden und Absichten - die Wahrheit illustrierten. Es kam ihm vor, als hätte er in den vergangenen Stunden in aller Ernsthaftigkeit die Keime des Verstehens gesammelt, um sie jetzt in alle Winde zerstreut zu sehen.
    Sie gingen über den Rasen zum Pförtnerhaus und zur jenseits liegenden Trinity Lane. Sie sprach nicht, doch ihre Frage hing noch in der Luft und wartete auf Antwort. Er gab sie erst, als sie den Wagen erreicht hatten. Er sperrte auf und öffnete ihr die Tür. Aber als sie einsteigen wollte, hielt er sie zurück. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. Er suchte nach Worten.
    »Ich habe über Herington den Stab gebrochen«, sagte er. »Ich habe das Verbrechen erkannt und die Strafe festgesetzt.«
    »Ist das nicht Aufgabe eines Polizeibeamten?«
    »Nicht wenn er des gleichen Verbrechens schuldig ist.«
    Sie runzelte die Stirn. »Des gleichen -«
    »Wenn auch er nur begehrt. Wenn er nicht gibt, nicht einmal nachdenkt. Sondern nur begehrt. Und sich nimmt, was er begehrt. Und ihm alles andere gleichgültig ist.«
    Sie berührte seine Hand. Einen Moment lang sah sie zum Fluß, über dem die ersten geisterhaften Nebelschleier aufstiegen. Dann kehrte ihr Blick zu ihm zurück. »Du warst nicht allein in deinem Begehren«, sagte sie. »Nie, Tommy. Früher nicht, und gewiß nicht heute abend.«
    Diese Vergebung weckte in ihm ein Gefühl innigen Verstehens, wie er es mit ihr nie gekannt hatte. »Bleib in Cambridge«, sagte er. »Komm nach Hause, wenn du soweit bist.«
    »Danke dir«, flüsterte sie.

20
    Am nächsten Morgen lag der Nebel schwer auf der Stadt. Autos, Lastwagen, Busse und Taxis krochen durch die feuchten Straßen. Fahrräder glitten wie Schemen durch die Düsternis. Vermummte Fußgänger auf den Bürgersteigen versuchten dem von Dächern, Fenstersimsen und Bäumen tropfenden Wasser auszuweichen. Es war, als hätte es die zwei Tage Wind und Sonnenschein nicht gegeben.
    »Widerlich«, sagte Barbara Havers in ihrem erbsengrünen Mantel, mit einer pinkfarbenen Wollmütze auf dem Kopf. Sie schlug mit den Armen und stampfte mit den Füßen, während sie zu Lynleys Wagen gingen. Die blonden Fransen auf ihrer Stirn kräuselten sich in der Feuchtigkeit. »Kein Wunder, daß Philby und Burgess zu den Sowjets übergelaufen sind«, sagte sie. »Bei dem Klima.«
    »Genau«, sagte Lynley. »Moskau im Winter. Das war schon immer mein Traum.«
    Er warf ihr einen forschenden Blick zu. Sie war fast eine halbe Stunde zu spät gekommen. Gerade, als er beschlossen hatte, ohne sie aufzubrechen, hatte er sie durch den Korridor zu seinem Zimmer laufen hören. Gleich darauf hatte sie angeklopft.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Dieser verdammte Nebel. Auf dem Ml 1 hat alles gestanden.« Sie sprach betont schnodderig, aber er sah, daß ihr Gesicht blaß und müde war, und sie lief nervös im Zimmer umher, während er sich fertigmachte.
    »Sie haben wohl eine schlimme Nacht hinter sich?« fragte er.
    »Ach, ich hab schlecht geschlafen. Aber ich werd's überleben.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Die auch.«
    »Aha.« Er legte seinen Schal um und schlüpfte in seinen Mantel. Vor dem Spiegel fuhr er sich mit der Bürste über das Haar, aber es war nur ein Vorwand, um Barbara unauffällig beobachten zu können. Sie starrte auf seine Aktentasche, die offen auf dem Schreibtisch stand, aber sie schien überhaupt nicht wahrzunehmen, was sie enthielt. Er blieb vor dem Spiegel stehen, um ihr Zeit zu lassen, sagte nichts, fragte sich, ob sie sprechen würde.
    Scham und Schuldgefühle bedrängten ihn im Bewußtsein der krassen Unterschiede ihrer Lebensverhältnisse, die nicht allein in Herkunft und Vermögen begründet waren. Sie hatte mit Widrigkeiten zu kämpfen, die mit der Familie, in die sie hineingeboren war, mit der Erziehung, die sie genossen hatte, nichts zu tun

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