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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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warst nie verheiratet, Sarah?« Selbst die Themenwahl war die gleiche wie bei ihrem Vater.
    »Nein.« »Warum nicht?«
    Sarah studierte das Gemälde, an dem sie arbeitete, verglich die Bilder mit dem lebhaften Geschöpf auf dem Hocker und fragte sich, ob es ihr je gelingen werde, die Lebenslust und Energie, die das Mädchen ausströmte, einzufangen. Selbst in Ruhe - den Kopf ein wenig schräg geneigt, so daß ihr das Haar nach vorn über die Schulter fiel - pulsierte sie vor Lebendigkeit. Rastlos und wissensdurstig, schien sie stets begierig zu lernen und zu verstehen.
    »Ich habe mir wahrscheinlich gedacht, ein Mann wäre nur hinderlich«, antwortete Sarah. »Ich wollte Malerin werden. Alles andere war von zweitrangiger Bedeutung.«
    »Mein Vater möchte auch malen.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Ist er gut? Was meinst du?«
    »Ja, er ist gut.«
    »Und magst du ihn?«
    Bei dieser letzten Frage sah sie Sarah aufmerksam zu. Nur damit sie die Antwort gut ablesen kann, sagte sich Sarah. Dennoch antwortete sie brüsk: »Natürlich. Ich mag alle meine Schüler. Du bewegst dich, Elena. Nicht. Bitte halte den Kopf wieder so wie vorher.«
    Elena streckte ein Bein abwärts, um Flame, der am Fuß des Hockers lag, mit den Zehenspitzen über den Rücken zu streicheln. Sarah wartete schweigend, um den Moment der Frage nach Tony vorüberziehen zu lassen. Elena ließ es geschehen wie immer. Denn Elena besaß ein ausgeprägtes Gespür für unsichtbare Grenzen. Was sie allerdings nicht daran hinderte, sie häufig zu überschreiten.
    Lächelnd sagte sie: »'tschuldige, Sarah«, und nahm ihre Pose wieder ein, während Sarah, um dem forschenden Blick zu entgehen, zur Stereoanlage ging und sie einschaltete.
    »Dad wird staunen, wenn er das sieht«, sagte Elena. »Wann darf ich es anschauen?«
    »Wenn es fertig ist. Setz dich wieder richtig hin, Elena. Ach, verflixt, jetzt geht das Licht weg.«
    Danach tranken sie zusammen Tee, mit Keksen, die Elena heimlich Flame zusteckte, und mit Törtchen und Kuchen, die Sarah nach Rezepten machte, an die sie schon jahrelang nicht mehr gedacht hatte. Und während sie aßen und tranken und miteinander sprachen, klang die Musik aus der Stereoanlage, und Sarah klopfte den Rhythmus auf ihrem Knie.
    »Wie ist das eigentlich?« fragte Elena eines Nachmittags.
    »Was?«
    Sie wies mit dem Kopf zu einem der Lautsprecher. »Na das«, sagte sie. »Du weißt schon. Das da.«
    »Die Musik?«
    »Wie ist sie?«
    Sarah blickte auf ihre Hände und lauschte einen Moment ganz konzentriert auf die einzelnen Instrumente, ihre unterschiedlichen Klänge, den Rhythmus der Musik, die kristallene Klarheit der Töne. Sie dachte so lange über eine Antwort nach, daß Elena schließlich sagte: »Entschuldige, ich hab nur gedacht... «
    Sarah hob hastig den Kopf und sah die Verlegenheit des Mädchens. Elena schien zu glauben, sie fände es peinlich, so deutlich auf ihre - Elenas - Behinderung hingewiesen zu werden.
    »Nein, nein, Elena«, sagte sie. »Das ist es nicht. Ich habe überlegt, wie ich dir... Hier. Komm mit.«
    Sie drehte die Stereoanlage auf volle Lautstärke, dann nahm sie Elena mit zum Lautsprecher. Sie legte ihre Hand darauf. Elena lachte.
    »Percussion«, sagte Sarah. »Das ist das Schlagzeug. Und der Baß. Die tiefen Töne. Du kannst sie fühlen, nicht wahr?« Als Elena nickte, sah Sarah sich nach etwas anderem um und fand es: das weiche Kamelhaar trockener Pinsel, das kühle scharfe Metall eines sauberen Palettenmessers, die glatte, kalte Rundung eines Terpentinglases.
    »So«, sagte sie. »Paß auf. So klingt es.«
    Während die Musik anschwoll, Melodien sich ineinander schlangen und wieder auseinanderstrebten, spielte sie auf dem Arm des Mädchens, an der Innenseite, wo das Fleisch zart und für Berührung am sensibelsten war. »Elektrische Harfe«, sagte sie und schlug mit dem Palettenmesser leicht das perlende Muster der Töne auf die Haut. »Und jetzt. Eine Flöte.« Der Pinsel in anmutig wirbelndem Tanz. »Und das ist der Synthesizer, Elena. Das ist synthetische Musik. Kein Instrument. Es ist eine Maschine, die Töne produziert. So.« Sie rollte das Glas in einer langen, gleichmäßigen Bewegung.
    »Und das passiert alles zur gleichen Zeit?« fragte Elena.
    »Ja. Alles zur gleichen Zeit.« Sie gab Elena das Palettenmesser. Sie selbst behielt Pinsel und Glas. Während die Platte weiterlief, machten sie zusammen Musik. Und auf dem Bord über ihren Köpfen, keine fünf Schritte entfernt, stand der Stößel, mit dem

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