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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Boden gesunken war. Oxlaj hatte versucht, sich über den Herrscher zu stellen. Aber so verblendet und voller Allmachtsfantasien war er nicht immer gewesen, sondern erst nachdem er den Armreif des getöteten Wesens selbst angelegt hatte.
    Seither wusste Ts’onot, dass insbesondere der so harmlos wirkende Schmuck eine Gefahr darstellte. Das Messer war bei aller Stärke letztlich doch nur ein Messer. Über den Reif und die ihm innewohnenden Kräfte war hingegen so gut wie nichts bekannt. Oxlaj hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, sein Wissen nach dem frevlerischen Auftritt weiterzugeben. Der Reif aber hatte sich nach seinem Tod wieder vom Handgelenk des Opferpriesters gelöst und war neben ihm zu Boden gefallen.
    Ah Ahaual, der Herrscher, hatte den Reif daraufhin wegsperren lassen. Erst Jahre später, kurz bevor der falsche Heilsbringer den Maya erschienen war, hatte er seinem Sohn die Gegenstände übergeben in der Hoffnung, dass er das Geheimnis mit seinen besonderen seherischen Kräften zu lösen vermochte.
    Eine Bedingung hatte er aber daran geknüpft: » Deine Mutter Came darf nichts davon erfahren, und auch sonst niemand. Nur du und ich sind eingeweiht. Was du herausfindest, wirst du mir umgehend berichten.«
    Das war Monate her, doch bislang hatte Ts’onot kaum Zeit gefunden, sich ernsthaft mit den rätselhaften Objekten auseinanderzusetzen. In der Zwischenzeit war der »Weiße Gott« erschienen und hatte Ah Ahaual vorgegaukelt, sein Volk solle näher an die Götter herangeführt werden, denen es über Äonen treu gedient hatte. Zu diesem Zweck sollten die Maya eine »Maschine« bauen. Nach ihrer Vollendung würde sie die Belohnung der Erbauer herbeiführen.
    So eindrucksvoll hatte der »Gott in Weiß« sich in Szene gesetzt, dass weder Ah Ahaual noch Ts’onot Grund zur Annahme gehabt hatten, betrogen zu werden.
    Bis zu dem Tag, als Ts’onots prophetische Gabe die wahren Absichten des falschen Gottes offenbart hatte. In einer erschütternden Vision hatte er begriffen, welche Folgen die Vollendung der »Maschine« tatsächlich haben würde. Nicht die Erhöhung der Maya wäre vollzogen worden, sondern ihre totale Vernichtung – und die aller anderen Völker!
    Ah Ahaual, zunächst skeptisch, hatte sich die Vision seines Sohnes von anderen Propheten bestätigen lassen und den Betrüger dann damit konfrontiert – während Ts’onot die bereits fertiggestellten Teile der »Weltuntergangs-Maschine« heimlich versteckt hatte. An Orten, die der »Gott in Weiß« hoffentlich nie finden würde. Er selbst war ohnehin nicht dazu fähig, die Teile zusammenzusetzen, denn er war wie ein Geist und konnte nichts greifen. Er hatte Helfer gebraucht, um sein unheilvolles Werk zu schaffen, und er brauchte Helfer, es zu bedienen.
    Warum sie die Teile nicht einfach zerstört und das Gold eingeschmolzen hatten? Ah Ahaual hatte auch das in Erwägung gezogen, war dann aber davor zurückgeschreckt. Solange auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass die Götter – die wahren Götter – selbst mit den Vorgängen zu tun hatten, durften sie durch vorschnelles Handeln nicht verärgert werden.
    Nach dem offenen Affront war der »Weiße« wutentbrannt verschwunden – nicht jedoch ohne die Drohung, Ah Ahaual und sein Volk würden den Verrat an ihm noch bitter bereuen.
    Seitdem verging kein Tag, an dem Ts’onot nicht wenigstens einmal an den hinterhältigen Versucher denken musste, der fast den Untergang seines Volkes verursacht hätte.
    Er seufzte, schüttelte die unguten Erinnerungen ab und griff nach dem Armreif. Hatten die Götter selbst ihn geformt? Die wahren Götter?
    Der offene Reif – ein Teil seiner drei nebeneinanderliegenden Ringe hatte sich zurückgeschoben und genug Raum geschaffen, ihn über das Handgelenk zu schieben – schien ihn zu locken.
    Bislang hatte er erfolgreich der Versuchung widerstanden, denselben Fehler wie Oxlaj zu begehen. Doch wie sonst sollte er die Bedeutung des Reifs erkennen? Sein Lomob jedenfalls – die heilige Kraft, die ihn in die Lage versetzte, Dinge und Geschehnisse intuitiv zu begreifen oder vorauszusehen – widersetzte sich jedem Versuch, das Rätsel um den Reif zu lösen.
    Das Gefühl, nicht länger allein zu sein, veranlasste ihn, sich umzudrehen. Tatsächlich stand Came vor ihm, seine Mutter. Sie war unbemerkt in den Raum getreten und sah ihn stumm an. Stumm und … vorwurfsvoll.
    Ts’onot fühlte sich sofort in die Defensive gedrängt. Er trat einen Schritt auf seine Mutter zu

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