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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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empfing uns inmitten großer Gefolgschaft. Er wirkte gesittet und angenehm zurückhaltend im Vergleich zu seinen Untertanen. Seinen Namen vermag ich hier nicht wiederzugeben, ich habe ihn mir nicht merken können. Sie sprechen ein furchtbares Kauderwelsch.
    Dennoch: Alles wirkte zunächst wenig bedrohlich. Wozu wohl die Schwere unserer Bewaffnung beitrug. Neben dem obligatorischen Degen schleppt die Hälfte unserer Gruppe noch Armbrüste oder Arkebusen mit sich.
    Nachdem wir Geschenke ausgetauscht hatten, den üblichen Tand unsererseits, hingegen feinsten Goldschmuck ihrerseits, wurden wir in die Stadt geleitet, wo ein Festmahl auf uns warten sollte.
    Indes – dazu kam es nicht. Stattdessen gerieten wir schon zwischen den ersten Häusern in einen heimtückischen Hinterhalt. Ich war gewarnt vom Weißen Ritter, aber auch vom Verhalten der Einheimischen, bei denen sich kurz zuvor Frauen und Kinder in alle Richtungen zerstreuten.
    Und dann zeigten sie ihr wahres Gesicht.
    Auch die männlichen Einheimischen hielten zunächst Abstand, während von den Dächern angrenzender Gebäude Pfeile auf uns herabregneten. Drei aus unserem Trupp wurden in Oberschenkel oder Arm getroffen, wo sie keine Rüstung schützte. Ich brüllte den Befehl zum sofortigen Gegenschlag.
    Als die ersten Arkebusen ihre Ladungen mit Donnerhall gegen die Bogenschützen schleuderten, wendete sich das Blatt augenblicklich. Tief beeindruckt von unseren Büchsen suchten die Feinde erschreckt Deckung. Innerhalb kürzester Zeit lagen mehrere Leichen auf den Straßen von El Gran Kairo, unserer ersten Station in der Neuen Welt.
    Zügig kehrten wir zum Strand zurück. Auf den Schiffen hatte man schon bemerkt, dass wir in Schwierigkeiten steckten, und uns weitere Soldaten in Schaluppen entgegengeschickt. Ich wartete ihre Ankunft ab und führte dann meine Männer noch einmal in die feindselige Stadt.
    Unsere Rückkehr versetzte die Primitiven in solches Entsetzen, dass sie in Scharen in den nahen Dschungel flohen. Uns wurde keinerlei Widerstand mehr entgegengebracht. Trotzdem blieben wir wachsam, während die Männer Haus um Haus durchkämmten.
    Auf der Spitze der beeindruckenden Pyramide hatten sich zwei junge Männer versteckt. Sie ergaben sich kampflos und hatten Glück, dass ich die Gruppe persönlich anführte, die das Monument erstieg. Meinen Männern gelüstete nach Rache für den feigen Hinterhalt, doch ich blickte bereits weiter nach vorn.
    So ließ ich die beiden nur in Ketten legen und zusammen mit der Goldbeute, die wir machten – und die weit geringer ausfiel, als ich dies erhofft hatte – zurück auf mein Flaggschiff schaffen. Dort wurden sie sogleich im römisch-katholischen Glauben auf zivilisierte Namen getauft: auf Julián und Melchior.
    Es wird einige Mühe kosten, aber am Ende gewiss gelingen, die neuen Christen zu Dolmetschern auszubilden, auf dass sie uns im späteren Verlauf unserer Expedition vielleicht noch von Wert sein können.
    So lichteten wir die Anker und setzten unsere Reise entlang der Küste gen Norden fort.
    (aus den Aufzeichnungen des Francisco Hernández de Córdoba)
    Carlota war zwiegespalten. Natürlich fieberte sie der Rückkehr ihres Neffen entgegen und war in Sorge, dass Alejandro etwas zugestoßen sein könnte. Zwar zählte er seiner Geburtsurkunde nach schon zweiundzwanzig Jahre, würde aber in der Welt da draußen wohl zeitlebens auf die Hilfe anderer angewiesen sein, die es gut mit ihm meinten. So wie seine Schwester Maria Luisa, die sich wohl in den Kopf gesetzt hatte, Alejandro die Mutter zu ersetzen – und sich damit die eigene Zukunft verbaute.
    Aber diese Gedanken waren Carlota seltsam fern. Seit etwas geschehen war, das ihre Gefühle in Aufruhr versetzte: das Erlebnis mit dem Gegenstand, der sich im Besitz ihres Gastes befand. Wie war es möglich, dass sie das »Artefakt«, wie Tom Ericson es nannte, trotz ihrer Blindheit zu sehen vermochte?
    Es gibt keine natürliche Erklärung dafür, allenfalls eine göttliche. Sie zog Trost aus der Vorstellung, dass es zwischen Himmel und Erde tatsächlich Dinge zu geben schien, die mit Wissenschaft und der Logik nicht zu erklären waren. Vielleicht gibt es ja wirklich ein Leben nach dem Leben, dachte sie. Vielleicht öffnet der Tod nur eine Tür in eine andere Existenz …
    Ein Lächeln legte sich auf die Züge der greisen Frau.
    Es klopfte an der Haustür. Das mussten sie sein! Und dass sie so rasch wieder hier waren, konnte nur bedeuten, dass die Suche nach Alejandro

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